eco: Beschwerden über sexuelle Missbrauchsdarstellungen drastisch gestiegen

Die eco-Beschwerdestelle verzeichnete 2019 einen Höchstwert berechtigter Eingaben, Hinweise auf Kindesmissbrauch schnellten um 75 Prozent nach oben.

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Gegen Hass im Netz

(Bild: Olha Solodenko/Shutterstock.com)

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Mit 4654 Fällen hat die Online-Beschwerdestelle des eco-Verbands der Internetwirtschaft 2019 den höchsten Wert an berechtigten Hinweisen in ihrer Geschichte verzeichnet. Im Vergleich zum Vorjahr ist diese Anzahl um 50 Prozent angestiegen. Der Löwenanteil betraf bei einem Plus von 75 Prozent gegenüber 2018 mit 4371 Beschwerden Darstellungen des sexuellen Missbrauchs und der Ausbeutung von Minderjährigen.

Der hohe Zuwachs in dieser Kategorie dürfte sich mit einer gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit für das Thema nach dramatischen Missbrauchsskandalen im vorigen Jahr etwa in Lügde erklären. Ein deutlicher Rückgang in diesem Bereich war laut dem am Dienstag kurz vor dem Welttag gegen Internetzensur veröffentlichten Jahresbericht der Hotline bei sogenannten Posendarstellungen zu verzeichnen, auf denen Minderjährige in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung abgebildet sind: Rund ein Fünftel der berechtigten Beschwerden bezog sich darauf, während es in den Vorjahren rund ein Drittel war. 64,9 Prozent der Fälle betraf schwerwiegendere Missbrauchsaufnahmen.

Insgesamt gingen bei der Institution im vorigen Jahr 311.238 Meldungen zu potenziell rechtswidrigen Internetinhalten ein und damit geringfügig weniger als 2018, als es 320.094 waren. Grund dafür ist vor allem der Rückgang der Beschwerden über Inhalte im Usenet. Gleichzeitig haben sich die Meldungen über URL-basierte Inhalte im Web mehr als verdreifacht. Der Großteil der eingehenden Mitteilungen betraf erneut Spam, die der eco bei der weiteren Fallanalyse regelmäßig außen vorlässt. Von den verbliebenen Eingaben stufte der Verband 17,2 Prozent als berechtigt ein: dabei stellten die Prüfer einen Rechtsverstoß fest und ergriffen in Folge Maßnahmen ein.

Zusammengerechnet hat die Beschwerdestelle im vorigen Jahr 7903 Hinweise die internationale Hotline Inhope (40 Prozent), an Provider direkt (37 Prozent) sowie an die Polizei weiter. 2018 lag die Vergleichszahl bei 4762. Den verhältnismäßig geringen Anteil der Meldungen an das Bundeskriminalamt (BKA) in Höhe von 15 Prozent erklärt der eco damit, dass dieses nur informiert werde, wenn es in betroffenen Ländern keinen Inhope-Partner gibt. Geht es nach der Bundesregierung, müssen Betreiber sozialer Netzwerke künftig aber viel mehr Fälle beim Verdacht auf strafbare Beiträge ans BKA übermitteln. Experten sehen die Behörde darauf rein personell überhaupt nicht vorbereitet.

In 95,5 Prozent der Fälle konnte die Anlaufstelle zusammen mit anderen privaten und staatlichen Stellen erreichen, dass die monierten Inhalte entfernt oder etwa "durch die Implementierung von Altersverifikationssystemen" legalisiert wurden. Dies entspricht in etwa der Quote von 2018. Die Autoren des Berichts werten dies als Beleg dafür, "dass Selbstregulierung funktioniert – auch international". Denn nur ein Fünftel der gemeldeten URLs seien in Deutschland gehostet worden.

Der enorme Anstieg bei Beschwerden zu Missbrauchsdarstellungen führte dem Bericht nach dazu, dass international gehostete einschlägige Inhalte im Web durchschnittlich erst nach 14,3 Tagen gelöscht wurden. 2018 waren knapp zehn Tage erforderlich. In Deutschland reagierten die Provider 2019 dagegen etwas schneller als im Jahr zuvor, hier war entsprechendes Material durchschnittlich nach 2,58 Tagen nicht mehr abrufbar. Zugleich heißt es aber: "Leider war bei zwei Anbietern mit deutschen Serverstandorten – entgegen der Norm – ein erhöhter Kommunikationsaufwand nötig, bis die gemeldeten Inhalte entfernt wurden." Darüber hinaus habe es "einen ausländischen Hostprovider" gegeben, der konsequent jeden Hinweis sowie Löschaufforderungen ignoriert habe.

Als "auffallend" werten die Verfasser den erneuten Anstieg von Meldungen zu verfassungsfeindlichen Inhalten um rund 25 Prozent. Zugleich sei aber "die Schere zwischen erhaltenen und berechtigten Beschwerden weiter auseinandergegangen": Mit 56 berechtigten Fällen stuften die Begutachter letztlich nur sechs Prozent der in dieser Kategorie gemeldeten Inhalte als rechtswidrig ein (2018: 62 Fälle). Rund drei Viertel davon ordneten sie dem Bereich der Volksverhetzung zu. Dies mache deutlich, dass die Hinweisgeber hier "äußerst sensibilisiert", die Hürden für tatsächliche Verstöße aber gerade aufgrund der Meinungsfreiheit hoch seien. Eine "gründliche, mitunter auch zeitintensive Prüfung" sei nötig.

Die Beschwerdestelle konnte durchsetzen, dass Anbieter im Berichtsjahr 83,9 Prozent der von ihr monierten verfassungsfeindlichen Inhalte entfernten. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um rund 15 Prozentpunkte. Dabei seien nur rund vier Prozent der Fälle im Inland gehostet worden und volksverhetzende oder andere rassistische Äußerungen nicht weltweit gleichermaßen geächtet. Die Hostprovider hätten teils aber auch aufgrund der eigenen Geschäftsbedingungen entsprechende Maßnahmen ergriffen. Die Standzeiten seien mit durchschnittlich 9,9 Tagen ab Meldung aber relativ lang gewesen. (kbe)