Mindestens 18 Monate bis zum Coronavirus-Impfstoff

Bald starten die ersten klinischen Tests mit dem in nur 42 Tagen entwickelten Covid-19-Impfstoff von Moderna Pharmaceuticals. Es ist unklar, ob er wirken wird.

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Mindestens 18 Monate bis zum Coronavirus-Impfstoff

(Bild: CDC / Unsplash)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Bei einer Presseveranstaltung im Weißen Haus am 2. März saßen ein Dutzend Biotechnologie-Führungskräfte am selben Tisch mit Präsident Donald Trump, an dem sich er sich sonst mit seinem Kabinett trifft. Trump wollte genau wissen, wie schnell eine Gegenmaßnahme gegen das sich ausbreitende Coronavirus bereit sein könnte. Aber nur Stéphane Bancels Unternehmen Moderna Pharmaceuticals hatte bereits wenige Wochen nach dem Ausbruch einen Impfstoffkandidaten zum Testen in die Hände der Regierung gegeben. Das in Cambridge im Bundesstaat Massachusetts angesiedelte Unternehmen gehört zu den Pionieren bei einer neuen Art von genbasierten Impfstoffen. Es sei nur eine Frage von "ein paar Telefonaten" mit den richtigen Leuten gewesen, so Bancel.

"Sie meinen also, dass Sie bereits in den nächsten Monaten einen Impfstoff haben könnten?", fragte ein beeindruckt aussehender Trump. "Richtig", antwortete der Geschäftsführer von Moderna. Bancel fügte zwar hinzu, dass er den möglichen Beginn eines Phase-2-Tests, also eine frühe Runde von Wirksamkeitstests im Sommer meinte. Aber es war nicht klar, ob Trump es auch so verstanden hat. Medikamente durchlaufen verschiedene Entwicklungsphasen. Auf erste Sicherheitstests der Phase 1 folgen umfassendere Wirksamkeitstests der Phase 2.

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"Sie hätten dann keinen [fertigen] Impfstoff. Sie hätten einen Impfstoff, der am Beginn seiner Testung steht", präzisierte denn auch Anthony Fauci. Der Leiter der Nationalen Instituts für Allergie und Infektionskrankheiten hat sechs Präsidenten beraten, beginnend mit Ronald Reagan während der HIV-Epidemie. Auf Trumps Frage, "Wie lange würde das dauern?", antwortete Fauci: "Wie ich Ihnen schon sagte, ein bis anderthalb Jahre". Trump sagte, zwei Monaten würden viel besser klingen.

Die Coronavirus-Veranstaltung im Weißen Haus zeigt, wie Biotech- und Pharmaunternehmen mit schnellen neuen Technologien in die Bresche zu springen versuchen, um gegen die Ansteckungsgefahr vorzugehen. Anwesend waren auch Vertreter von Regeneron Pharmaceuticals, CureVac und Inovio Pharmaceuticals, die einen Genimpfstoff gegen Zika testeten und sagten, dass im April eine Sicherheitsstudie des eigenen Kandidaten gegen das Coronavirus beginnen könnte.

Im Hype um schnelle neue Impfstoffe geht jedoch die Tatsache unter, dass Technologien wie die von Moderna entwickelte nach wie vor unbewiesen sind. Niemand weiß tatsächlich, ob sie funktionieren werden. Moderna stellt sogenannte mRNA-Impfstoffe her. Dafür bettet es im Grunde die genetischen Anweisungen für eine Komponente eines Virus in ein Nanopartikel ein, das dann einer Person injiziert werden kann. Obwohl neue Methoden wie die von Moderna blitzschnell durchführbar sind, haben sie noch nie einen lizenzierten Impfstoff auf dem Markt hervorgebracht.

Darüber hinaus muss jeder Impfstoff trotz des schnellen Starts beweisen, dass er sicher ist und Menschen vor Infektionen schützt. Diese Schritte ergeben Faucis unbequeme 18-Monats-Frist. Während ein Sicherheitstest möglicherweise nur drei Monate dauert, müsste der Impfstoff dann im Kerngebiet eines Ausbruchs Hunderten oder Tausenden von Menschen verabreicht werden, um festzustellen, ob sie geschützt werden. Das kann ein Jahr dauern, egal welche Technologie eingesetzt wird.

Als Moderna Pharmaceuticals Ende Februar bekannt gab, dass es Dosen des ersten Coronavirus-Impfstoffkandidaten an die National Institutes of Health geliefert hatte, stieg der Wert seiner Aktien um 30 Prozent und damit die Börsenbewertung des Unternehmen auf rund elf Milliarden US-Dollar – während der restliche Markt einbrach. Der Impfstoff könnte bis Mitte dieses Monats an erste Freiwillige verabreicht werden, um in einem Phase-1-Test seine Sicherheit zu testen.

Die Entwicklungsgeschwindigkeit war in der Tat bemerkenswert. Bancel zufolge dauerte es nur 42 Tage "von der Sequenz des Virus", bis sein Unternehmen Impfstoff-Phiolen an Faucis Gruppe versandte. Moderna fügte seinen Nanopartikeln die genetischen Anweisungen für das "Spike"-Protein hinzu, mit dessen Hilfe das Virus in menschliche Zellen eindringt. Sie sollen gegen die Erreger immunisieren. Das Unternehmen in Cambridge verfolgte seit Januar den sich schnell ausbreitenden Ausbruch. Als chinesische Wissenschaftler damit begannen, die Gesamtsequenz des aus RNA bestehenden Covid-19-Erbguts online zu stellen, wählten Modernas Wissenschaftler die Basenabfolge des Spike-Proteins aus. Dann begann das Unternehmen in seinem Produktionszentrum in Norwood, Massachusetts, damit, die mRNA-Version von "Spike" herzustellen, sie Lipid-Nanopartikeln zuzusetzen und diese in sterile Fläschchen zu füllen.

Während des gesamten Prozesses benötigte oder wollte Moderna keine tatsächlichen Proben des infektiösen Coronavirus. "Was wir tun, können wir mit der genetischen Sequenz des Virus erreichen. Sobald es veröffentlicht wurde, haben wir und alle anderen es heruntergeladen", sagte Stephen Hoge, Präsident von Moderna, in einem Interview im Januar.

Moderna hat auf diese Weise bereits einige experimentelle Impfstoffe gegen Krankheiten wie die Grippe hergestellt, um den gleichen Herstellungsprozess an eine neue Bedrohung anzupassen. Nur der eingefügte RNA-Abschnitt musste ausgetauscht werden. "Es ist so, als würde man [ein Stück] Software ersetzen, anstatt einen neuen Computer zu bauen", sagt Jacob Becraft, Geschäftsführer von Strand Therapeutics. Das Unternehmen ist ebenfalls auf Impfstoffe und Krebsbehandlungen auf RNA-Basis spezialisiert. "Deshalb konnte Moderna so schnell sein."

(jle)