Corona-Krise: Deutsche Telekom liefert anonymisierte Handydaten an RKI

Die Telekom gibt anonymisierte Handydaten an das RKI weiter, damit Simulationen zur Verbreitung des Coronavirus erstellt werden können.

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Corona-Krise: Deutsche Telekom liefert anonymisierte Handydaten an RKI

(Bild: Shutterstock/Juan Aunion)

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Die Deutsche Telekom hat anonymisierte Handydaten ihrer Kunden an das Robert-Koch-Institut (RKI) weitergegeben. Damit sollen Bewegungsströme von Menschen in Deutschland nachvollzogen werden, um eine Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) simulieren zu können. Das geht aus einem Bericht des Tagesspiegel von Mittwoch hervor. Demnach sind erste Daten in einem Umfang von 5 GByte am Dienstagabend an das RKI gegangen.

Die Daten enthalten den Zeitpunkt des Aufbaus einer Mobilfunkverbindung und den entsprechenden Mobilfunkmast, über den die Verbindung erfolgte. Darüber lassen sich grob Bewegungsinformationen auslesen und bundesweit Bewegungsströme ermitteln. Diese können dann bis auf Kreis-Gemeinde-Ebene heruntergebrochen werden, teilte eine Sprecherin dem Bericht des Tagesspiegel nach mit.

Ein Datensatz enthalte Daten von etwa 30 Benutzern. Die Daten sind also offenbar nicht nach einzelnen Geräten, sondern nach Gruppen von 30 Personen aufgeschlüsselt. Ein Tracking einzelner Personen oder gar mit dem Coronavirus infizierter Personen finde aber nicht statt. Es werden die anonymisierten Standortdaten aller Nutzer weitergegeben. Die Maßnahmen zur Anonymisierung seien mit den Datenschutzbehörden abgestimmt und entsprechend datenschutzkonform.

Die Daten selbst werden über die Telekom-Tochter Motionlogic bereitgestellt. Das Unternehmen nutzt Mobilfunkdaten, um damit den "Personenverkehr im öffentlichen Raum“ zu analysieren, heißt es auf der Website von Motionlogic. Daraus lassen sich Bewegungsströme von Menschen ableiten und beispielsweise Standorte für neue Läden bewerten, Verkehrsplanungen erleichtern oder die Sicherheit bei Großveranstaltungen erhöhen.

Weitere Anwendungen sind durch Kombination mit "soziodemographischen Daten" wie Alter und Geschlecht möglich, heißt es dort weiter. Mit diesen Informationen können zahlende Kunden von Motionlogic beispielsweise Standorte von Reklametafeln optimieren. Dem Robert-Koch-Institut werden die Daten kostenfrei zur Verfügung gestellt.

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Noch im März hatten das RKI zusammen mit dem Heinrich-Hertz-Institut der Fraunhofer Gesellschaft und dem Bundesgesundheitsministerium darüber nachgedacht, Standortdaten von Infizierten zu analysieren, um dadurch mögliche Kontaktpersonen aufzufinden. Dies hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber als rechtlich bedenklich bezeichnet; dies sei nur unter bestimmten Voraussetzungen denkbar, etwa wenn die infizierten Personen der Weitergabe freiwillig zustimmen würden und vorab über die Verwendung der Daten genau aufgeklärt werden.

Die Medizinische Hochschule Hannover setzt deshalb bei ihrem Lösungsansatz auf das Prinzip "Datenspende“. Zusammen mit dem Hamburger Unternehmen Ubilabs arbeitet die Klinik an einer App, die anonymisiert Standortdaten aus den GPS-Standortverläufen der Mobiltelefone von Infizierten auswertet. Die Infizierten können ihre Daten freiwillig zur Verfügung stellen. Das GPS-Tracking ist deutlich genauer als das Tracking über Mobilfunkzellen, sodass präzisere Warnungen an andere Personen erfolgen könnten.

In anderen Staaten spielen Datenschutzbedenken keine Rolle, um die Coronavirus-Pandemie zu verlangsamen. So hatten China und Südkorea infizierte Menschen getrackt, um über ihre Bewegungsdaten Kontakte zu anderen Menschen und damit möglicherweise weitere Infizierte zu ermitteln. Auch Israel hat das Tracking von Infizierten als Notfallmaßnahme beschlossen. Mit den so gesammelten Informationen sollen Personen, die sich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten haben, wie auch schon in China und Südkorea gewarnt werden.

Einen ähnlichen und damit vermutlich datenschutzkonformen Weg wie die Deutsche Telekom beschreitet dagegen der größte österreichische Mobilfunkbetreiber A1. Er soll "aus eigenem Antrieb“ anonymisiert Bewegungsprofile an die österreichische Regierung weitergeben haben. Auch hier sollen lediglich Menschengruppen erfasst werden, jedoch im Umfang von 20 Personen und nicht wie in Deutschland von 30 Personen. (olb)