Post aus Japan: Die globale Smart-City-Plattform

Der größte Autobauer und der größte Telekomkonzern Nippons verbünden sich. Gemeinsam wollen sie in einer offenen Allianz schlaue Städte für die Welt bauen.

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Post aus Japan: Die globale Smart-City-Plattform

(Bild: Photo by Antony Xia on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Wenn Akio Toyoda zu einer Pressekonferenz erscheint, dann gibt es in der Regel große Nachrichten. Diese Woche kündigte Toyotas Konzernchef gemeinsam mit Jun Sawada, dem Boss von Japans größtem Telekomkonzern NTT, eine Kapitalallianz und ein großes, gemeinsames Ziel an: Die unterschiedlichen Partner wollen ihr Knowhow bündeln und gemeinsam eine offene Plattform für smarte Städte schaffen.

Die Plattform soll mit künstlicher Intelligenz die Daten der Stadt auswerten und managen, Informationen verteilen, mit der Funktion "digitaler Zwilling" Stadtplanung durch Simulation erlauben und Funktionen in der realen Welt anbieten, von Telekommunikationsdiensten über Energie- und Gesundheitsmanagement bis hin zu Fahrdiensten.

Die beiden Partner wollen dabei nicht nur offen für den Kontakt mit anderen Smart-City-Plattformen sein, sondern auch für andere Unternehmen, sagte NTT-Chef Sawada. "Wir werden weitere Partner einladen und die Plattform verbreiten."

Der Startpunkt soll die smarte Stadt werden, die Toyota auf dem Gelände einer stillgelegten Fabrik mit Blick auf den Nationalberg Fuji bauen will. Der Autobauer will dort ein bewohntes Freilandlabor für die vernetzte Gesellschaft und die autonome Mobilität der Zukunft aufbauen, die Datenplattform inklusive.

Der Name der Siedlung ist dabei Programm: "Woven City" nennt Toyota die Idee. Und NTT soll nun helfen, sie zu propagieren. Die Plattform werde sich von der "Woven City" über all auf der Welt verbreiten, versprach Sawada.

Ausgeschlossen ist das nicht. Selbst Berufsskeptiker wie der Autoanalyst Takaki Nakanishi kommen ins Grübeln, weil die Partner jeweils für 1,7 Milliarden Euro gegenseitig Aktienpakete aneinander erwerben. Er habe nicht erwartet, dass Toyota bei dem Smart-City-Projekt große Anstrengungen übernimmt. "Aber es ist überraschend, dass die beiden Unternehmen plötzlich eine Kapitalallianz in dieser Größenordnung eingehen", so Nakanishi. "Das ist eine Entscheidung, mit vollem Tempo voranzupreschen." Nakanishi fragt sich sogar, ob das japanische Duo damit den Ambitionen von Google und chinesischen Konzernen Paroli bieten kann. Denn in NTT sieht er einen starken Partner für Toyota.

NTT-Gruppe ist nämlich nicht nur ein Telekommunikationsanbieter, sondern gleichzeitig auch ein global aktiver Anbieter für Internetlösungen. Der Bereich Smart City ist dabei einer der Schwerpunkte der Japaner. Und sie arbeiten dabei nicht nur mit einigen heimischen Städten zusammen, sondern auch mit der amerikanischen Casinostadt Las Vegas.

Doch Toyota ist auch ein potenter Partner für NTT. Denn die Japaner sind nicht nur in Umsatz und Gewinn Japans Branchenprimus. Konzernchef Toyoda treibt auch die Verwandlung des Autobauers in einen Mobilitäts- und Datenkonzern voran, der sich auch in den Bereich künstliche Intelligenz und Robotik ausdehnen will.

Post aus Japan

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Dabei setzt Toyota längst nicht mehr nur auf Hardware, sprich Autos, sondern forciert seit Jahren die Entwicklung von offenen und geschlossenen Plattformen. So initiierte der Konzern das wachsende Industriekonsortium Automotive Grade Linux, in dem Autohersteller, Zulieferer und Softwareentwickler gemeinsam ein Betriebssystem fürs Auto entwickeln. So will Toyota dafür sorgen, dass die Hersteller im Besitz der Fahrdaten bleiben und nicht andere Firmen wie Google den wertvollen Rohstoff des Digitalzeitalters an sich reißt.

Seine eigene Mobilitätsplattform, die Wartungshinweise und auch fahrstilabhängige Versicherungen umfasst, versucht Toyota derweil durch Kapitalpartnerschaften mit Mitfahrapps wie Uber in den USA, Grab in Südostasien und Didi Chuxing in China in den neuen Diensten zu verankern.

Mit NTTs Lokalrivalen Softbank hat Toyota dann in Japan das Konsortium Monet Technologies gegründet, dass Mobilitätsdienste entwickeln soll. Inzwischen ist sogar Honda dem Bund beigetreten. Mit NTT will Toyota nun das Auto noch stärker mit seinem Besitzer, der Stadt und der Gesellschaft vernetzen.

"Die Rolle des Autos ändert sich", erklärt Toyoda die Bedeutung des Bundes. Früher habe das Auto die Menschen glücklich gemacht, nun seien es Smartphones und das Internet. Auch für Autos stünde daher künftig die Entwicklung von Software im Vordergrund, während die Hardware upgedatet werden kann.

"Toyota kann diesen Wandel allerdings nicht allein schaffen", so der Enkel des Firmengründers. NTT hat für ihn das Knowhow in der Vernetzung. "Unsere Allianz ist notwendig und in gewisser Weise sogar unvermeidlich", so Toyoda.

(bsc)