COVID-19: Smarte Fieberthermometer zeigen US-Ausbreitung fast live

Ein wichtiges Symptom von COVID-19 ist Fieber; ein US-Unternehmen weiß, wo wieviele seiner Kunden erhöhte Temperaturen haben. Eine Karte gibt einen Einblick.

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COVID-19: US-Ausbreitung dank smarter Fieberthermometer live nachvollziehbar

(Bild: Maridav/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Ein US-Hersteller von smarten Fieberthermometern verfügt über Daten, die möglicherweise frühestmöglich zeigen, wie sich die Erkrankungswelle von COVID-19 entwickelt. Kinsa Health hat inzwischen mehr als eine Million seiner Thermometer verkauft oder "verteilt", wie die New York Times schreibt. Die sind demnach in Haushalten mit insgesamt rund zwei Millionen Bewohnern verfügbar.

Nehmen die Anwender mit dem Thermometer ihre Temperatur, werden die Daten "aggregiert und anonymisiert" an den Hersteller übertragen, der damit wohl am frühesten erfährt, wo beispielsweise Grippewellen auftreten. Diese Information wurde bislang an Hersteller von Haushaltswaren für gezielte Werbung lizenziert, könnte nun aber der öffentlichen Gesundheit zugutekommen.

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Mitte März hat Kinsa unter healthweather.us eine Karte der Vereinigten Staaten freigeschaltet, die in wenigen Wochen und Kooperation mit dem Biologen und Mathematiker Benjamin Dalziel der Oregon State University erstellt wurde. Für jede Kommune (County) der USA wird dort tagesaktuell visualisiert, wie viele "Grippe-ähnliche" Krankheiten das Unternehmen ermittelt hat und wie der Vergleich zu Entwicklungen aus Vorjahren ausfällt ("Atypical"). Gibt es in einer Region eine ungewöhnliche Häufung von Fiebertemperaturen, liegt es nahe, dass sich dort das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ausgebreitet hat und vermehrt die Krankheit COVID-19 auslöst. Gegenwärtig haben demnach untypisch viele Nutzer der Kinsa-Thermometer rund um die Stadt New York, im Süden Floridas, im Bundesstaat Washington, um Salt Lake City und in den Appalachen Fieber.

Ein weiterer Teil der Karte zeigt außerdem, wie sich diese Zahlen in den jüngsten Tagen entwickelt haben und hier sind möglicherweise bereits Folgen der immer drastischeren Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie zu erkennen (laut Robert-Koch-Institut treten die Symptome im Mittel nach 5 bis 6 Tagen bei einer Spannweite von einem bis 14 Tagen nach der Infektion mit SARS-CoV-2 auf). Überall in den USA messen die Thermometer demnach inzwischen weniger oft Fieber als in den (sechs) Vortagen, dieser Rückgang verläuft um New York, in Louisiana und Teilen Texas' aber langsamer. Gleichzeitig wird insgesamt schon seit 10 Tagen in den US-Haushalten seltener ein Fieber erkannt, als es in normalen Jahren zu erwarten wäre. Das wiederum könnte bedeuten, dass vor allem das "Social Distancing" quasi nebenbei dafür sorgt, dass landesweit vor allem die Ausbreitung der deutlich häufigeren Grippe verlangsamt wird.

Gebiete in den USA mit untypisch vielen Fällen von Fieber

(Bild: healthweather.us)

Mit dieser Karte und den dahinter stehenden Daten meint Kinsa, die Ausbreitung des Coronavirus quasi in Echtzeit zeigen zu können. So hat das Unternehmen die Ausbreitung der jährlichen Grippewelle in den vergangenen Jahren jeweils zwei Wochen vor der US-Gesundheitsbehörde CDC vorhergesagt, berichtet die New York Times. Die kann lediglich auf die Daten von Ärzten zurückgreifen, zu denen die Erkrankten wiederum etwas verzögert gehen, nachdem sie wahrscheinlich zuerst zu Hause Fieber gemessen haben. Bei COVID-19 scheint das analog zu klappen, denn laut der US-Zeitung hat Kinsa bereits direkt am ersten Tag nach der Einführung von Ausgangseinschränkungen positive Effekte ermitteln können.

In Deutschland dagegen ist gegenwärtig immer noch nicht abschließend erkennbar, welche Folgen die vor mehr als einer Woche verhängten Ausgangsbeschränkungen haben. Im besonders früh betroffenen Landkreis Heinsberg flachte die Kurve der insgesamt Infizierten erst fast einen Monat nach Bekanntwerden der Infektionswelle ab. Die Daten von Kinsa könnten solche Entwicklungen deutlich früher aufzeigen und vor allem dem Gesundheitswesen helfen, neue Erkrankungsherde vorherzusagen. Die Entwicklung nach Beginn der Kontaktbegrenzungen könnte dann aber nicht mehr groß beeinflusst werden, denn erst mit Verzögerung wird deutlich, wieviele Menschen sich jeweils bereits angesteckt haben. (mho)