Erste deutsche Covid-19-Impfstudie kann starten

Nach nur wenigen Monaten Entwicklungsarbeit hat das Mainzer Biotech-Unternehmen BioNTech die Erlaubnis erhalten, vier RNA-Vakzin-Kandidaten zu testen.

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Erste deutsche Covid-19-Impfstudie kann starten

(Bild: CDC / Unsplash)

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Weltweit laufen die Bemühungen auf Hochtouren, Impfstoffe gegen das neue Sars-CoV-2-Virus zu entwickeln. Am 22. April hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auch der ersten deutschen Studie die Starterlaubnis erteilt. So darf das Mainzer Biotechnologie-Unternehmen BioNTech mit einer kombinierten Phase 1/2-Studie am Menschen für BioNTechs Impfstoffkandidaten BNT162 starten. "Impfstoffe sind die einzige Chance auf eine Langzeitlösung für die Corona-Pandemie", sagt BioNTech-Geschäftsführer Ugur Sahin.

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Die Studie soll bei 200 gesunden Probanden zwischen 18 und 55 Jahren die Sicherheit und Verträglichkeit von insgesamt vier Impfstoff-Varianten ermitteln. Darüber hinaus soll sie auch zeigen, welche Dosis zwischen einem und 100 Mikrogramm Wirkstoff eine ausreichende Immunantwort auslöst. In einer zweiten Phase sollen später auch Risikopatienten immunisiert werden, die älter als 55 Jahre sind und wegen Vorerkrankungen als Risikopatienten für einen schweren Covid-19-Verlauf gelten. Mit Kooperationspartnern sind darüber hinaus weitere Studien geplant, in den USA mit Pfizer und in China mit Fosun. Tierversuche mit Mäusen haben BioNTech zufolge ergeben, dass die Vakzinkandidaten verträglich sind.

Bei den Impfstoff-Kandidaten handelt es sich um Boten-RNA-Impfstoffe, die in Fett-Nanopartikel verpackt werden. Das bedeutet, sie enthalten Teile des genetischen Bauplans für ein Virusprotein, in diesem Fall für das Spike-Protein. Damit dockt der Erreger wie mit einem Ankerhaken an die Zielzellen an. "Obwohl das Virus mutiert, scheint die Spike-Region bisher stabil zu sein. Deshalb erwarten wir nicht, dass es sich verändert und dem Virus eine Fluchtroute ermöglichen wird", sagt Sahin. Nehmen die Körperzellen die Impf-RNA auf, sollen sie das beschriebene Proteinbruchteil (Antigen) herstellen. Die Impf-RNA fungiert dann wie eine Art Zeugenbeschreibung, anhand derer die Zelle ein Phantombild für das Immunsystem erstellt. Die Körperabwehr würde nun beginnen, Antikörper gegen das Spike-Protein zu bilden und die Abwehrmoleküle in seiner Datenbank zu speichern.

Begegnet der Körper später dem echten Spike-Protein, beginnt er idealerweise sofort mit der passenden Antikörperproduktion. Damit verhindert er eine Erkrankung von vornherein. Weil die Impfstoffe allesamt nur Proteinbruchteile kodieren und keine weiteren Virenbaupläne enthalten, würden sie bei der Immunisierung selber keine Infektion auslösen. BioNTech ist auf RNA-Impfstoffe spezialisiert und entwickelt sie bisher gegen verschiedene Krebsarten und andere Infektionskrankheiten.

Warum werden nun vier Impfstoff-Varianten getestet? BioNTech will damit zum Beispiel herausfinden, ob schon eine kürzere Zeugenbeschreibung ausreicht oder eine ausführlichere einen besseren Impfschutz liefert. Deshalb enthalten zwei Kandidaten ein kürzeres Spike-Bruchstück, und die anderen zwei ein längeres. Zudem sollen verschiedene RNA-Arten getestet werden, die bei unterschiedlichen Dosen wirksam sind und teilweise schon bei geringeren Dosen eine stärkere oder längere Immunantwort auslösen können. Welche Kombination von Eigenschaften sich als die Beste erweist, muss sich zeigen.

Weltweit entwickeln auch andere Unternehmen RNA-Vakzine gegen Covid-19, darunter Moderna Therapeutics und Translate Bio (zusammen mit Sanofi) in den USA, eTheRNA und Ziphius Therapeutics in Belgien und CanSino Biologics in China. RNA-Impfstoffe gelten als vielversprechend, weil sie in wenigen Monaten schnell zu entwickeln und schneller herstellbar sind als etwa auf abgeschwächten Erregern basierende Vakzine. Zudem werden sie anders als einige DNA-Wirkstoffe nicht ins körpereigene Erbgut eingebaut. RNA-Impfstoffe brauchen auch keine Hilfsstoffe (Adjuvantien), die manchmal zu Problemen führen. Die Erwartungen sind also groß, wenngleich es weltweit bisher noch keinen zugelassenen RNA-Impfstoff gibt.

Erste Testergebnisse erwartet BioNTech-Chef Sahin für Ende Juni. Selbst wenn alles nach Plan läuft, werden die weiteren Studienphasen allerdings Zeit brauchen. PEI-Präseident Klaus Cichutek rechnet damit, dass jeglicher Corona-Impfstoff nicht mehr in diesem Jahr zugelassen wird.

(vsz)