Überwachung: EU-Rat lotet "Live-Gesichtserkennung" bei Sport-Events aus

Die kroatische Ratspräsidentschaft hat ein Treffen anberaumt, um den Einsatz biometrischer Abgleichtechnik bei Großveranstaltungen zu erörtern.

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Überwachung: EU-Rat lotet "Live-Gesichtserkennung" bei Sport-Events aus

(Bild: Scharfsinn/Shutterstock.com)

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"Gesichtserkennung eröffnet neue Möglichkeiten für die Strafverfolgung", weiß die kroatische EU-Ratspräsidentschaft. Die biometrische Technik könne dazu beitragen, "Terrorismus zu bekämpfen und Verbrechensfälle zu lösen". Damit sei es etwa möglich, gesuchte Personen in Videomaterial zu identifizieren. Zugleich gebe es aus bürgerrechtlicher Perspektive aber massive Einwände gegen solche Überwachungssysteme. Grund genug für die Kroaten, um auf einem Treffen mit Vertretern der Mitgliedsstaaten Chancen und Risiken der umstrittenen Technik debattieren zu wollen.

Mehrere EU-Länder planten, testeten oder erwögen bereits den Einsatz automatisierter Abgleichverfahren durch die Polizei, schreibt die Ratsspitze in einem heise online vorliegenden, als vertraulich eingestuften Schreiben an die Fachgruppen von Anfang März. Dabei gehe es auch um die sogenannte Live-Gesichtserkennungstechnologie, bei denen Ordnungshüter alle Gesichter aus Aufnahmen mit Überwachungskameras direkt mit einer Datenbank und darin gespeicherten Beobachtungslisten abglichen. Dieses Verfahren habe die Waliser Polizei etwa schon beim Champions-League-Finale 2017 in Cardiff und später bei nationalen Fußballspielen genutzt. Im privaten Sektor verwende ein Sportverein den Ansatz, um eigentlich gesperrte Fans im Stadion auszumachen.

Bei der anberaumten Diskussionsrunde sollen dem Schreiben nach die Auswirkungen von Gesichtserkennung auf die Grundrechte vor allem bei Sportveranstaltungen im Fokus stehen. Die geladenen Regierungsvertreter bittet die Präsidentschaft, Erfahrungen aus ihren Ländern auszutauschen. Sie erwähnt selbst einen Bericht der Europäischen Grundrechtsagentur (FRA), in dem diese massive Bedenken gegen Vorhaben vorbringt, Strafverfolgern dieses Überwachungsinstrument in die Hände zu geben. Neben den überaus problematischen Fehlerraten und daraus resultierenden falschen Alarmen sieht die FRA eine Reihe von Grundrechten berührt. Die "Live"-Variante sei besonders "herausfordernd", da sie bei der Bevölkerung das Gefühl auslösen könne, dem Staat ausgeliefert zu sein.

"Aus meiner Sicht stellt Technologie zur Gesichtserkennung, die es der Polizei ermöglicht, Menschen live zu identifizieren, eine große Gefahr für unsere gesamte Gesellschaft dar", warnt Cornelia Ernst, Innenexperten der Linksfraktion im EU-Parlament. Das eigene Konterfei werde damit "zum Ausweis, der andauernd kontrolliert wird". In Fußballstadien werde den Fans damit pauschal unterstellt, Übeltäter zu sein. (axk)