Jolla: Sailfish OS 3.3 modernisiert Basissystem

Jolla hat mit der neuen Version seines Mobilbetriebssystem vor allem die Programmbibliotheken aktualisiert und integriert Unterstützung für Nextcloud.

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Jolla: Sailfish OS 3.3 modernisiert Basissystem
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Leszek Lesner
  • Keywan Tonekaboni
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Die neuste Version der Android-Alternative Sailfish OS dürfte vor allem die verbleibenden, treuen Entwickler der Community freuen. Jolla hat das Grundsystem erneuert, so das diese für ihre Apps neuere Programmbibliotheken verwenden können. Für die Nutzer bietet die Nextcloud-Integration nun endlich eine komfortable Möglichkeit, Kontakte und andere Daten unabhängig von Google oder Exchange zu synchronisieren. Außerdem arbeitet die Community an der Unterstützung von Flatpaks, was eine zusätzliche Quelle für Apps ist.

Mit Version 3.3.0.16, Codename "Rokua", spendiert Jolla Sailfish OS einen neuen Standard C-Compiler. Die GNU Compiler Collection (GCC) in der altertümlichen Version 4.9 wurde durch ein deutlich aktuelleres GCC 8.3 abgelöst, auch wenn erst kürzlich GCC 10.1 erschienen ist. Die neue Version von GCC ermöglicht es nun Entwicklern neuere Bibliotheken und Programme für Sailfish OS zu kompilieren, was die Entwicklung von Apps vereinfacht. Jolla verspricht aber, dass alte Programme weiter laufen, also die neue Sailfish-Version binärkompatibel zu älteren Versionen ist. Jolla hat aber Sailfish OS und mitgelieferte Apps neu kompiliert, wodurch diese sicherer und performanter sein sollen.

Weiter auf sich warten lässt die versprochene Aktualisierung von Qt auf eine neuere Version, die bessere Geschwindigkeit bei Apps und mehr Flexibilität für Entwickler bietet. Die für die Bedienoberfläche verantwortlichen Programmbibliothek ist noch auf der in die Jahre gekommenen Version 5.6.

Die Kalendereinträge aus der Nextcloud sind entsprechend markiert. Das umständliche hantieren mit CalDAV-Adressen entfällt.

Im Zusammenspiel von GCC 8.3 mit Kernelanpassungen ist es nun möglich Flatpaks auf SailfishOS laufen zu lassen. Das distributionsunabhängige Linux-Paketformat wird zwar von Jolla selbst nicht unterstützt, aber das finnische Unternehmen ist dem Wunsch der Community nachgekommen und hat notwendige Pakete und Änderungen in Sailfish OS vorgenommen. So kann die Community an der Flatpak-Unterstützung arbeiten. Diese ist aber geräteabhängig und klappt nur mit Sailfish-Versionen für das Sony Xperia XA2 und Xperia 10 (Plus), die Jolla als Download verkauft.

Prominentes Beispiel für eine App als Flatpak ist Angelfish, ein experimenteller Browser von KDE Plasma Mobile, der auf der modernen QtWebEngine basiert. Ein Browser mit einer aktuellen Engine wäre eine deutliche Verbesserung für Sailfish OS, da hier immer noch eine sehr alte fehleranfällige QtWebkit Version 5.6 genutzt wird. Der mitgelieferte Standardbrowser nutzt als Engine sogar das sehr alte Gecko 48, womit das Surfen im Internet kein Vergnügen ist, wie der c‘t-Test zu Sailfish OS zeigte.

In den Kontoeinstellungen legt man fest, welche Daten mit der eigenen Nextcloud synchronisiert werden.

Die sichtbarste Änderung für die Nutzer von Sailfish ist die Integration von Nextcloud. Konten für die Open-Source-Cloud-Software kann man jetzt in den Systemeinstellungen hinzufügen, um Kalender, Kontakte, Bilder und andere Daten zu synchronisieren. Zwar war es auch bisher prinzipiell möglich über CalDAV und CardDAV auf Daten auf einem Nextcloud-Server zuzugreifen, nur aber nicht sonderlich komfortabel. Nun geht die Integration aber über Kalender und Kontakte hinaus und ermöglicht auch den Zugriff und die Synchronisierung von Bildern und Notizen. Dafür wird in der Galerie-App ein Abschnitt Nextcloud hinzugefügt, um die Bilder aus der Cloud anzuzeigen.

Neben Nextcloud unterstützt der Kalender auch den Import von iCalendar-Daten wie beispielsweise Apple iCal Kalendern, die häufig auf Webseiten angeboten werden. Daneben haben die Jolla-Entwickler Fehler in der CalDAV-Implementierung bereinigt, wodurch die Synchronisation der Kalenderdaten zuverlässiger sein soll.

Über die Galerie-App greift man auch auf Bilder in der Nextcloud zu.

Bei den Kontakten greift die E-Mail-App nun auch auf die Online-Suche des Exchange-Servers zu. Dazu reicht es bei einer neuen E-Mail im Empfänger-Feld einige Buchstaben einzutippen. Die Dokumenten-App arbeitet schneller, was gerade beim Laden von großen Dateien auffällt.

Auch beim Android-Subsystem von Sailfish gibt es Neuerungen: So haben nun auch Android-Apps Zugriff auf die SD-Karte, wodurch beispielsweise Apps wie OSMand oder HERE WeGo ihre Kartendaten auf die Speicherkarte schreiben können. Bei Whatsapp wurde zwar der Fehler der nicht mehr reagierenden App nach dem Starten von Sprachanrufen behoben, aber bei ankommenden WhatsApp-Anrufen gibt es weiterhin nur einen akustischen Hinweis und keine Benachrichtigung auf dem Bildschirm. Die Wiedergabe von Videos in Whatsapp-Nachrichten funktioniert wieder.

Nach Arbeiten am Hardwaresupport für das Sony Xperia XA2 und die Xperia 10 Modelle, soll der Fingerabdruckscanner zuverlässiger funktionieren. Beim Xperia X lässt sich NFC nun auch mit Sailfish nutzen. Die Verschlüsselung des Nutzerverzeichnisses kann man nun auch bei auf dem Xperia X und dem Xperia XA2 einschalten. Bislang war die Verschlüsselung nur Nutzern eines Xperia 10 (Plus) vorbehalten. Zudem erfasst der Lokalisationsdienst deutlich schneller den eigenen Standort für die Navigation.

Mit dem Update schließt Jolla nach eigenen Angaben über 30 Sicherheitslücken in diversen Bibliotheken. Alle Neuerungen und Bugfixes hat Jolla in den Veröffentlichungshinweisen auf der eigenen Diskussionsplattform dokumentiert.

Sailfish OS 3.3 macht einen großen Schritt in Richtung Modernisierung der Kernkomponenten und Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit, aber ein aktuelles Qt-Framework und ein brauchbarer nativer Browser fehlen weiterhin.

Jolla wurde von ehemaligen Nokia-Mitarbeitern gegründet, die die Open-Source-Komponenten des von Nokia aufgegebenen Mobilbetriebssystem MeeGo als Basis genommen und als Sailfish OS weiterentwickelt haben. Jolla primäres Ziel ist es Software-Lizenzen an Hardware-Hersteller, Provider oder auch Regierungen zu verkaufen. In Russland kommt es als Aurora OS auf Behördengeräten zum Einsatz. Daneben gibt es noch die kostenpflichtige Version Sailfish X für ausgewählte Android-Smartphones, die aber eher für Enthusiasten und Entwickler gedacht ist. (ktn)