Expertenrat an Regierung: Autofahren muss teurer werden

Um Rad- und Fußverkehr zu fördern und den Klimaschutz voranzubringen, empfehlen Regierungsberater eine allgemeine Pkw-Maut und höhere Parkgebühren in Städten.

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S-Bahn Rhein-Ruhr mit Baureihe ET 422 im VRR-Grün bei der Ausfahrt aus dem Hbf Essen

Die Berater fordern nicht nur, den Individualverkehr teurer zu machen, sondern gleichzeitig die Alternativen stark auszubauen.

(Bild: Deutsche Bahn AG / Georg Wagner)

Lesezeit: 3 Min.
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  • dpa
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Neben der Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsmittel seien „Maßnahmen unerlässlich, die eine individuelle Pkw-Nutzung unattraktiver machen“, heißt es in einem Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen, das an diesem Donnerstag (14. Mai 2020) vorgestellt wird. Die Möglichkeiten, Parkgebühren zu verlangen, müssten ausgeweitet und die Deckelung der Gebühren für Anwohner aufgehoben werden. Der Rat plädiert zudem für eine Pkw-Maut, die sich an der Fahrstrecke, Schadstoff-, Lärm- und CO2-Emissionen richtet.

„Eine bundesweite Maut erzielt eine deutlich bessere Lenkungswirkung als eine City-Maut und vermeidet einen Flickenteppich aus verschiedenen Regelungen in deutschen Städten“, heißt es im Gutachten. Eine City-Maut reduziere die Zahl einfahrender Fahrzeuge in ein definiertes Gebiet und wirke somit nur in den Städten. „Diese Reduzierung von Pkw in der Stadt lässt sich mit einer stringenten Parkraumbepreisung ebenso gut erreichen“, argumentiert der Rat.

Das Gutachten trägt den Titel „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“. Der Umweltrat stellt darin der deutschen Klimapolitik ein miserables Zeugnis aus. Die nationalen Ziele seien zu niedrig, zudem seien sie wiederholt nicht erreicht worden. Außerdem sei nicht klar, „welches Gesamtbudget an Treibhausgasen der deutschen Klimapolitik zugrunde liegt“, heißt es im Gutachten.

Der Budget-Ansatz geht davon aus, dass jedes Land nur noch eine bestimmte Menge Treibhausgase ausstoßen darf, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad, zu begrenzen, wie es das Pariser Klimaschutzabkommen vorsieht. Im Abkommen gibt es aber keine Budgets. Die Bundesregierung lehnt den Budget-Ansatz ab.

Der Umweltrat dagegen empfiehlt der Regierung, ihre Klimapolitik an einem langfristigen CO2-Budget auszurichten. „Ein ausreichendes, faires und angemessenes deutsches CO2-Budget beträgt maximal 6,7 Milliarden Tonnen CO2 ab 2020“, erklärte Wolfgang Lucht von der Berliner Humboldt-Universität. „Bei linearer Reduktion muss Deutschland schon 2038 CO2-neutral sein, nicht erst 2050.“ CO2-neutral bedeutet, dass unterm Strich keine zusätzlichen Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Verbleibende Emissionen müssten dann ausgeglichen werden.

Dem Gutachten voran stellt der Rat wenig optimistische Worte: „Die Appelle der Wissenschaft, die natürlichen Lebensgrundlagen besser zu schützen und zu bewahren, drohen zu einem bedrückenden Ritual zu werden“, heißt es da. Es mangele nicht an Erkenntnissen, auch die notwendigen Technologien seien da. „Da sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft den ökologischen Herausforderungen aber viel zu zögerlich stellen, wächst die Kluft zwischen dem Erreichten und dem Notwendigen.“ Innovationen und Effizienzsteigerungen seien wichtig, reichten aber nicht mehr: „Auch unsere Wirtschafts- und Lebensweisen müssen sich verändern, um ökologische Grenzen einzuhalten.“

Ein Mitglied des siebenköpfigen Gremiums, Lamia Messari-Becker von der Universität Siegen, trägt das Kapitel des Gutachtens nicht mit. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen berät die Bundesregierung schon seit 1972 in Fragen der Umweltpolitik. Er besteht aus Professorinnen und Professoren verschiedener Disziplinen.

(mfz)