Anti-Terror-Koordinator will "das Problem der Verschlüsselung" angehen

Der EU-Beamte fordert ein europäisches Gesetz, um Ermittlern Zugang zu verschlüsselten Inhalten zu verschaffen – aber nicht durch die Hintertür.

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Anti-Terror-Koordinator will "das Problem der Verschlüsselung" angehen

Gilles de Kerchove 2008

(Bild: EU-Kommission)

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Der "weitverbreitete Einsatz von Verschlüsselung" im Internet und bei Messengern wie WhatsApp, Signal oder Threema macht dem Anti-Terror-Koordinator der EU zunehmend Sorge. Gilles de Kerchove sieht einen "umfassenderen Trend" zu "einseitigen Änderungen" an den Verschlüsselungspraktiken der Anbieter, ohne dass die mit der EU oder den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Bedenken der Strafverfolgungs- und Justizbehörden verhallten ungehört, was gesetzgeberische Gegenmaßnahmen erfordere.

Die unmittelbare Folge sei, dass bestehende rechtliche Grundlagen zum Abhören von Kommunikationen und gerichtliche Anordnungen ins Leere liefen, schlägt der 63-Jährige in einer von Netzpolitik.org veröffentlichten Geheimnotiz an Vertreter des EU-Ministerrats Alarm. Aufgrund der Verschlüsselungstechnologie könne notwendige Überwachung nicht durchgeführt werden. De Kerchove fordert, bei Maßnahmen wie der von Facebook angekündigten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für den Messenger direkt an den Anbieter heranzutreten, um ihm umzustimmen. Auch die Einführung verschlüsselter Internetprotokolle in Browsern sei so eine Gelegenheit.

"Es ist höchste Zeit, diese Verschlüsselungspraktiken und die politischen und legislativen Reaktionen darauf im Detail zu untersuchen und einen umfassenden Ansatz zu entwickeln", fordert der Anti-Terror-Koordinator. Die EU solle einen "europäischen Weg" zur "Regulierung der Verschlüsselung" einschlagen. "Eine Gesetzgebung ist notwendig, um das Problem der Verschlüsselung anzugehen." Einige "unserer wichtigsten Partner haben bereits Schritte in diese Richtung unternommen", verweist er etwa auf das australische Gesetz zur "Beihilfe und zum Zugang" zur Telekommunikation, den britischen Investigatory Powers Act und den in den USA geplanten Earn it Act.

Ansätze, die etwa über den Einbau von Hintertüren als permanentem Zugangspunkt "eine pauschale Schwächung, ein Verbot oder eine Einschränkung der Verschlüsselung darstellen", sollten nicht unterstützt werden, weicht de Kerchove von seinem früheren Vorschlag für eine Pflicht zum Hinterlegen kryptografischer Schlüssel ab. Auf "rechtmäßiges Ersuchen" hin sollten Unternehmen, die Verschlüsselungsdienste anbieten, aber in der Lage sein, Daten im Klartext zur Verfügung zu stellen. Für eine solche, technisch unklar bleibende "Frontdoor"-Lösung hatte jüngst auch die BKA-Spitze geworben. Ferner macht sich der Koordinator dafür stark, etwa auf Ebene der Internet Engineering Task Force (IETF) entwickelte Verschlüsselungsstandards zu unterwandern. (vbr)