"Solche schweren Verstöße muss man lange suchen"

Der Schaden, den die CSU mit ihrem Maut-Abenteuer angerichtet hat, geht weit über die in den Sand gesetzten Steuergelder hinaus.

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"Was ist ein Scheuer?", fragte mein Kollege Wolfgang Stieler vor knapp einem Jahr. "Antwort: Das Maß an Transparenz, das gerade noch ausreicht, um einen Untersuchungsausschuss zu vermeiden."

Wenn das stimmt, dann hat der immer noch amtierende Bundesverkehrsminister im vergangenen Jahr deutlich unterscheuert, denn seit Ende 2019 gibt es den Untersuchungsausschuss zur Maut-Affäre tatsächlich. Alle Tricksereien nutzten offenbar nichts.

Trotzdem hat der CSU-Politiker in seiner Amtszeit neue Maßstäbe gesetzt, die durchaus eine eigene Maßeinheit rechtfertigen. Auch wenn man ihm zugute halten muss, dass die Pkw-Maut nicht auf seinem Mist gewachsen ist, sondern auf dem seines ehemaligen Parteichefs Horst Seehofer, und dass es sicherlich dankbarere Aufgaben in der Politik gibt, als solch ein verkorkstes Konstrukt durchzudrücken – die Durchtriebenheit, mit der er dabei vorging, hätte schon längst ein halbes Dutzend Rücktritte gerechtfertigt.

Im Kern geht es darum, dass Scheuer durch extrem industriefreundliche Verhandlungen dem Steuerzahler unnötige Kosten von voraussichtlich mehr als 500 Millionen Euro verursacht hat – und dass er einen Teil der Kosten für den Aufbau des Mautsystems am Haushalt vorbeimogeln wollte. Das ist eine grobe Missachtung des Parlaments. Nun hat "Report Mainz" weitere unappetitliche Details zu Tage gefördert. "Solche schweren Verstöße, sowohl gegen das Haushaltsrecht als auch das Vergaberecht in nur einem Verwaltungsverfahren, da muss man lange suchen, bis man das in der Geschichte der Bundesrepublik findet", zitiert "Report Mainz" den Staatsrechtler Professor Joachim Wieland. Und der Bundesrechnungshof bezichtigt Scheuers Ministerium der "Arbeitsverweigerung".

Diese ganzen Fouls sind keine Kleinigkeit: Demokratie beruht auf dem Einhalten von Spielregeln, und wenn nicht mal die Exekutive sich zu ihrer Einhaltung bemüßigt fühlt, dann ist der Schaden für uns alle weit höher als die halbe Milliarde in den Sand gesetzte Steuergelder.

Ich schlage deshalb eine neue Definition vor: Ein Scheuer ist das Maß an Dreistigkeit, das gerade noch ausreicht, nicht hochkant aus dem Kabinett zu fliegen.

(grh)