E-Auto auf dem Land: Langstreckenstromer – Teil 7

Knapp 120 Kilometer muss das E-Auto pro Pendlerstrecke für TR-Redakteurin Jo Schilling fast täglich bewältigen. Wie schlägt es sich bei der ersten Fahrt?

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E-Auto auf dem Land: Langstreckenstromer

Der Nissan Leaf e+ soll zeigen, was er auf der langen Pendlerstrecke kann.

(Bild: Jo Schilling)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis
E-Auto auf dem Land

(Bild: 

Nissan

)

TR-Redakteurin Jo Schilling wohnt auf dem Land – so richtig "Land". Ein E-Auto scheint sich dort nicht so recht anzubieten, dennoch wagt sie das Experiment. Sie nimmt teil am Forschungsprojekt "i-rEzEPT". Zwei Fraunhofer-Institute, Bosch und Nissan wollen dabei untersuchen, wie gut sich ein Elektroauto als Batteriespeicher für die Solaranlage auf dem heimischen Dach eignet. Hier berichtet sie über ihre Erfahrungen – von der Installation der Anlage bis zum bidirektionalen Laden.

Seit ich wusste, dass ich demnächst an einem Stromer-Forschungsprojekt teilnehmen würde, habe ich unterwegs nach E-Autos Ausschau gehalten – und nur selten welche gesehen. Wenn, dann habe ich sie im stadtnahen Bereich angetroffen, auf der Autobahn fast nie. Nicht ohne Grund, denn elektrisch über größere Strecken zu pendeln, ist sicher nicht die Stärke von E-Autos.

Während der Planungsphase habe ich das gegenüber dem Projektpartner Nissan thematisiert – aber dort zeigte man sich begierig auf die Erfahrungen, die ich sammeln würde und stellte mir die eigentlich gar nicht im Projekt vorgesehene größere Leaf e+-Variante mit einer 62 kWh Batterie statt der Standardausführung mit 40 kWh Batterie zur Verfügung.

Während für den Kleineren eine kombinierte Reichweite von 270 Kilometern angegeben ist, soll der Große 385 Kilometer weit fahren. Nun ist der Einsatz, der auf das Auto wartet, nicht wirklich kombiniert – er muss überwiegend über Land und auf Autobahnen rollen und größere Strecken am Stück. Neben den Pendelstrecken zur Arbeit von über 100 Kilometern, liegen übliche Entfernungen, die wir privat fahren bei 20 bis 50 Kilometern. Kurze Strecken ins nächste Dorf, zu Freunden oder zum kleinen Einkauf fahren wir mit dem Fahrrad.

Verbrenner quittieren das regelmäßige Fahren langer Strecken in gemäßigtem Tempo mit einem langen Leben – wie der Akku eines Stromers dazu steht, regelmäßig von voll auf (hoffentlich nur fast) leer gesaugt zu werden, kann ich nicht einschätzen – und glücklicherweise muss ich auch nicht mit den Konsequenzen dieser Nutzung leben. Ich darf testen und das Auto nach 20.000 Kilometern wieder abgeben. Allerdings hoffe ich, dass ich an den Daten, die das Auto währenddessen sammelt, später teilhaben darf, denn auch für mich ist die Stromerzeit eine Probezeit und am Ende steht die Überlegung an, wie wir unser privates Mobilitätskonzept aufstellen werden.

Nachdem meine erste geplatzte Fahrt mir etwas Zeit verschafft hat, um mich mit den diversen Funktionen und Assistenten des Autos auseinander zu setzen, soll es losgehen. Ich habe eine Strecke über Schleichwege zur Autobahn gewählt – das ist zwar weniger bequem zu fahren, als über die Bundesstraße, aber die Strecke wird dadurch zehn Kilometer kürzer. Dieser Weg über die Autobahn und eine alternative Strecke nur über Landstraßen sind gleich lang.

Das Ziel ist also 110 Kilometer zur Arbeit hin und abends wieder zurück. Meine Bedingung für die Projektteilnahme war, dass ich, ohne zwischen zu laden, zur Arbeit und wieder nach Hause komme. Die vom Fahrzeug-Display angegeben Reichweite: 375 Kilometer. Ich bin hoffnungsfroh, allerdings trifft mein erster Fahrtag ausgerechnet mit dem ersten winterlichen Tag in diesem nicht-Winter zusammen. Egal.

Da mir weder ein Kollege, der E-Auto fährt, noch mein Ansprechpartner bei Nissan sagen können, wie schnell oder langsam ich auf der Autobahn fahren kann, um die Distanz mit Puffer – etwa für staubedingte Umwege – zu schaffen, stelle ich den Tempomaten mutig auf 115 Kilometer pro Stunde ein und überhole ab und an einen LKW mit 120 Kmh. Dennoch schrumpft die Reichweite dramatisch, aber es hilft nichts – jetzt möchte ich wissen, wie weit ich bei diesem Tempo auf der gesamten Strecke bei moderaten Minustemperaturen komme. Auf dem Firmenparkplatz habe ich noch 139 Kilometer Reichweite, der Akku steht auf 42 Prozent, aber wie zuverlässig die Reichweitenangabe ist, habe ich ja gerade feststellen können.

Fußläufig von meinem Arbeitsplatz entfernt ist ein großer Supermarkt mit Ladestation und ich verlege meine Mittagspause von der Kantine in den Supermarkt und stecke mein Auto an die Ladesäule. Nach einem Imbiss lasse ich das Auto zurück und hole es nach zwei Stunden wieder ab. Damit komme ich wieder auf 75 Prozent und sicher nach Hause. Auf dem Rückweg ist es auch nicht mehr so kalt und bei 9 Grad Celsius passt das Schrumpfen der Reichweite schon deutlich besser zu den gefahrenen Kilometern. Ich vergegenwärtige mir zudem, dass ich eigentlich gar kein Auto fahre, sondern einen Computer mit Rädern und der muss erst einmal lernen, mein Nutzungsverhalten und seine Reichweitenschätzung übereinander zu bringen – mit einem Starttacho von 20 Kilometern ist es mit der Erfahrung des Autos noch nicht weit her.

Wieder zu Hause angekommen, habe ich noch etwa beruhigende 60 Kilometer Reichweite übrig, stöpsele das Auto an den Strom und die 38 Stunden Ladezeit erinnern mich daran, dass ich noch mal nachfragen wollte, wann denn mit der Wallbox und dem eigentlichen Projektstart zu rechnen ist. Dass ich teste, wie praktikabel ein E-Auto für große Pendelstrecken ist, ist ja nur ein Nebenaspekt – eigentlich geht es um das Energiemanagement zwischen Solaranlage, Auto und Haushalt mit dem Auto als Zwischenspeicher für den selbst produzierten Strom.


Wie es weitergeht, lesen Sie am nächsten Dienstag, 9.6., an dieser Stelle.

(jle)