EU-Kommission stellt Verbot allgemeiner Netzüberwachung in Frage

Online-Plattformen sollen für digitale Dienste etwa bei Fehlinformation stärker haften. Dazu holt die EU-Kommission Meinungen ein.

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EU-Kommission stellt Verbot allgemeiner Netzüberwachung in Frage

(Bild: Europaparlament)

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Die EU-Kommission hat eine Konsultation zur E-Commerce-Richtlinie eröffnet. Damit stellt sie Haftungsprivilegien für Zugangs- und Inhalteanbieter auf den Prüfstand. An der Konsultation können sich Bürger, Unternehmen, Diensteanbieter, Vertreter aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie alle anderen Interessenträger bis zum 8. September beteiligen.

Dabei gelte es, Antworten auf schwierige Fragen zu finden, heißt es aus Brüssel: "Welche Rolle spielen Plattformen bei der Vermeidung von Fehlinformationen während einer Wahl oder einer Gesundheitskrise? Wie verhindern wir, dass sich Hassreden online verbreiten?" Es gehe darum, "wie das richtige Gleichgewicht zwischen einem sicheren Internet für alle, dem Schutz der Meinungsfreiheit und der Gewährleistung von genügend Spielraum für Innovationen im EU-Binnenmarkt hergestellt werden kann".

Die Kommission hat vor, die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr mit dem von ihr geplanten "Digital Services Act" weitgehend zu ersetzen und so zugleich das wichtigste Internetgesetz der laufenden Legislaturperiode zu gestalten. Der derzeitige Rechtsrahmen habe "das Wachstum der digitalen Dienste in Europa" unterstützt. Die aktuelle "Rolle und Verantwortung insbesondere der größten Online-Plattformen" bleibe darin aber weitgehend außen vor.

Bislang sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Provider haften zudem aktuell nicht für fremde von ihnen übertragene Inhalte, wenn sie deren Transfer nicht selbst veranlasst sowie "nicht ausgewählt oder verändert haben". Bei ihnen gespeicherte Informationen Dritter müssen sie nur unverzüglich entfernen, wenn sie Kenntnis davon erlangt haben, dass diese rechtswidrig sind. Die Kommission will hier nun "klare und moderne Vorschriften über die Rolle und die Pflichten von Online-Vermittlern aufstellen". Dabei sollen ausdrücklich außereuropäische Anbieter einbezogen werden, wenn sie in der EU tätig sind.

Die Kommission will auch bessere Wettbewerbsbedingungen und Auswahl für Verbraucher schaffen, da zurzeit einige wenige große Online-Plattformen als Gatekeeper agierten. Parallel hat die Kommission zu diesem Feld eine zweite Umfrage zu einem verschärften Kartellrecht mit einer möglichen Voraus-Regulierung digitaler Plattformen gestartet.

In einer ersten Folgenabschätzung schildert die Kommission politische Handlungsoptionen etwa für neue Filterpflichten in Form eines "Notice-and-Action"-Systems und Ansätzen gegen Anonymität im Internet. Sie räumt aber auch ein, dass dabei Grundrechte wie etwa zum freien Informationsaustausch betroffen wären. Die abgegebenen Meinungen sollen in ein Gesetzespaket einfließen, das die Kommission voraussichtlich Ende 2020 vorlegen will.

(anw)