ADAC: Hersteller verschleppen Einführung des eCall

Seit der gesetzlichen Einführung des eCall wurden erst 25 neue Fahrzeugtypgenehmigungen erteilt. Der ADAC vermutet, dass Hersteller ihn bewusst verschleppen.

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Auto-Unfall

Bei Unfällen sollen die Autos per eCall Fahrzeugtyp, Treibstoff, Unfallzeitpunkt, Fahrzeugposition, Fahrtrichtung und Anzahl der angelegten Sicherheitsgurte an die Rettungskräfte melden

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Seit dem Frühjahr 2018 müssen Hersteller das automatische Notrufsystem eCall in PkW und leichten Nutzfahrzeugen verbauen. Systeme, die auf dem gesetzlich vorgeschriebenen eCall basieren, nehmen bei einem Unfall unmittelbar Kontakt mit der Notrufnummer 112 auf und übermitteln einen eng definierten Datensatz an die Rettungsleitstelle. Dank des Zeitgewinns soll erreicht werden, dass Verunglückte nach einem Verkehrsunfall rascher Hilfe erfahren.

Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion hervorgeht, wurden seit Frühjahr 2018 gerade einmal 25 neue Fahrzeugtypen mit eCall genehmigt – im Jahresschnitt sind dies etwa 13 Typgenehmigungen. Laut Bundesregierung lässt sich "keine durch die eCall-Ausrüstungspflicht verursachte Tendenz" nach unten im Vergleich zu den Vorjahren ablesen.

Auf Nachfrage von heise online teilte das Kraftfahrt-Bundesamt mit, dass es 23 Typgenehmigungen im Jahr 2017 sowie 16 im Jahr 2016 erteilt hatte. Damit liegt die Zahl der Typgenehmigungen in den Jahren vor der Einführung des eCall deutlich höher. Das Kraftfahrtbundesamt führt im Übrigen keine öffentliche Statistik, aus der hervorgeht, ob ein Fahrzeug bereits ein eCall-System eingebaut hat. Auch sind diese Angaben nicht aus den Fahrzeugpapieren ersichtlich, was eine Überprüfung durch Dritte wie den ADAC erschwert.

Der ADAC hegt deshalb den Verdacht, dass hier kein Zufall vorliegt, sondern dass die Hersteller die Einführung des eCall bewusst verzögern. So weist der Automobil-Club darauf hin, dass die Hersteller den verpflichtenden Einbau vermeiden können, indem sie die Typgenehmigungen von Vorgängermodellen fortschreiben. Die neuen Fahrzeugmodelle würden oftmals die Betriebsgenehmigung der Vorgängermodelle nutzen. Auf diese Weise fallen viele Neufahrzeuge aus der eCall-Regelung heraus.

Ein Grund für die schleppende Einführung des eCalls durch die Hersteller könnte darin liegen, dass die ihm zu Grunde liegende Technik schon in wenigen Jahren überholt sein dürfte. Das eCall-System basiert auf einer SIM-Karte, die im Fahrzeug verbaut ist, und funktioniert über den Netzstandard 2G und 3G. Wenn jedoch die Netzbetreiber auf neue 4G- und 5G-Technik umrüsten, funktioniert der gesetzliche vorgeschriebene eCall in den Fahrzeugen zunehmend lückenhaft, da es keine einfachen Updates für bereits verbaute SIM-Karten auf 4G oder 5G gibt: Ein einfacher Kartentausch genügt nicht. Der Gesetzgeber plant allerdings im Moment nicht, die eCall-Verordnung anzupassen. Gleichwohl arbeitet die EU-Kommission daran, wie der eCall weiterhin gesichert werden kann.

Die Bundesregierung kann in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage keine Lösung für dieses Problem nennen. Auf die Frage, ob der flächendeckende Einsatz gefördert werden sollte, teilt sie mit, dass sie dies nicht plane. Sie setzt darauf, dass die Verbreitung der eCall-Systeme mit der Marktdurchdringung der typgenehmigten Fahrzeuge "sukzessive" steigen werde. Weitere Maßnahmen seien nicht geplant. Ursprüngliches Ziel war, dass jährlich die Zahl der Verkehrstoten um 10 Prozent reduziert werden könne. 2018 lag der Wert jedoch nur um 0,7 Prozent unter dem Vorjahr. Für 2019 wird ein weiterer Rückgang um etwa 4 Prozent erwartet.

Für Daniela Wagner, in der grünen Bundestagsfraktion zuständig für Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht, ist klar: "Der Bundesregierung fehlt hier eine Strategie: Zwar hält sie einen flächendeckenden Einsatz der Notrufsysteme für wünschenswert, tut aber nichts, um dem näher zu kommen." Wagner glaubt, dass die Durchsetzung des eCalls in der Breite "viel zu lange dauern" werde, und fordert: "Wenn die Bundesregierung den Schutz von Unfallopfern ernst nimmt, dann muss sie hier schleunigst nacharbeiten."

Hersteller können eigene Notrufsysteme, die erheblich mehr Daten erfassen, dem eCall vorschalten. Sie übermitteln über ein privates System den Notruf an die Rettungsleitstelle, was nach Beobachtungen des ADAC im Vergleich zum eCall mit gewissen Zeitverzögerungen einhergehen kann. Stehen beide Systeme zur Verfügung, kann der Kunde aber selbst festlegen, welches eingesetzt wird.

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