Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek soll Kauf von Schnüffel-Software angebahnt haben

Der flüchtige Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek könnte sich laut einem Bericht als angeblicher Vertreter Grenadas um Spyware des Hacking Teams bemüht haben.

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Ex-Wirecard Vorstand Marsalek soll Kauf von Schnüffel-Software angebahnt haben

Jan Marsalek, ehemals COO bei Wirecard

(Bild: Wirecard)

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Ein neues, bizarr anmutendes Detail über mutmaßliche Geschäfte des Ex-Wirecard-Vorstands Jan Marsalek ist bekannt geworden: Der inzwischen untergetauchte Manager könnte sich um den Kauf von Spionagesoftware des italienischen Anbieters Hacking Team bemüht haben. So soll Marsalek im November 2013 im Mailänder Hauptquartier der Firma eine Software-Vorführung erhalten haben, berichten der Spiegel und das US-Magazin Motherboard. Das sei aber nicht in seiner Funktion bei Wirecard passiert – vielmehr habe sich Marsalek als Vertreter des Karibikstaates Grenada ausgegeben.

Die 2003 in Mailand gegründete Firma Hacking Team entwickelte, ähnlich wie etwa die NSO Group oder FinFisher, Überwachungssoftware für Regierungen und Behörden – zeitweise mit großem Erfolg. Das Team zählte dabei auch Staaten mit zweifelhafter Menschenrechtssituation zu seiner Kundschaft. 2015 fiel Hacking Team selbst einem Hack zum Opfer, im Zuge dessen es zu einem massiven Vertrauens- und Kundenverlust kam. Spionage-Tools sowie interne Unterlagen des Unternehmens wurden geleakt; kurz darauf folgte auch noch die Veröffentlichung von mehr als einer Million vertraulicher E-Mails durch Wikileaks. Aus dieser frei zugänglichen Datenbank stammen auch die Dokumente, auf die sich Spiegel und Motherboard berufen.

Laut einer der internen Mails von Hacking Team soll es am 27. November 2013 ein "fruchtbares Meeting" mit einem Herrn Jan Marsalek gegeben haben. Dieser werde seine Eindrücke den Offiziellen Grenadas schildern – und bei positivem Bescheid gebe es in drei Wochen Rückmeldung, hieß es weiter. Ein Ex-Mitarbeiter vom Hacking Team bestätigte gegenüber dem Spiegel, damals Mails erhalten zu haben, in denen der Name Marsalek fiel.

Marsalek wurde gegenüber dem Unternehmen in einem auf den Oktober 2013 datierten Schreiben als "Repräsentant" Grenadas vorgestellt. Das Schreiben habe die Anmutung offiziellen Briefpapiers und trage auch die Unterschrift des damaligen Außenministers von Grenada, Nickolas Steele. Darin werde bestätigt, dass Grenadas Regierung Interesse an der Smartphone-Überwachungsplattform des Hacking Teams habe und zu Vorführungszwecken die Überwachung einiger Geräte genehmige.

Gegenüber dem Spiegel erklärte Steele, dass das Schreiben nicht echt sei. "Ich habe sicherlich niemals eine solche Anfrage getätigt", sagte er demnach. Allerdings habe Steele tatsächlich im Sommer 2013 ein Geschäftstreffen mit Marsalek gehabt – es sei um einen Vorschlag zu Zahlungstechnik von Wirecard gegangen. Ein Geschäft sei daraus nicht erwachsen. Auch der Chef des im Schreiben genannten Zwischenhändlers Encryptechs erklärte dem Spiegel, nichts mit der Sache zu tun zu haben: "Sie haben den Namen meines Unternehmens ohne Genehmigung genutzt."

Hinzu kommt dem Bericht zufolge auch, dass bereits im Vorfeld – im Sommer 2013 – die offiziell anmutende Domain stateofgrenada.org eingerichtet wurde. Und zwar auf den Namen Jan Marsaleks, wobei teilweise dessen Privatadresse oder sogar eine Telefonnummer von Wirecard hintergelegt war. Dazu passend gab es auch die Mailadresse Jan.Marsalek@stateofgrenada.org.

Vermutlich könnte hinter dieser Tarnung der Versuch stehen, die Prämisse des Hacking Teams zu umgehen, die eigene Software nur an Staaten zu verkaufen. Ein Geschäft kam trotz der aufwendig wirkenden Maskerade aber nicht zustande: Paolo Lezzi, Chef der Hacking-Team-Nachfolge-Firma Memento Labs, sagte dem Spiegel, dass es keinen Vertrag mit Grenada oder Jan Marsalek gegeben habe. Und der damalige Hacking-Team-Chef David Vincenzetti ließ das Nachrichtenmagazin wissen, dass es niemals zu einem Treffen von Unternehmensvertretern mit einem Jan Marsalek oder Repräsentanten Grenadas gekommen sei.

Letztlich belegen die Dokumente erstmal nur die Verwendung eines Namens. Ob es tatsächlich Jan Marsalek persönlich war, der sich die Vorzüge der Hacking-Team-Spyware präsentieren ließ, oder eine oder mehrere andere Personen seinen Namen nutzten, ist offen. Und sollte es Marsalek gewesen sein, bleibt unklar, was er mit der Software vorgehabt haben könnte. Berichte schildern, dass er gute Kontakte zum russischen Militärdienst GRU gepflegt und sich gegenüber Geschäftspartnern auch mit Informationen aus Geheimdienstkreisen gebrüstet habe. Unter anderem solle er angeblich im Besitz von streng vertraulichen Dokumenten gewesen sein, aus denen die geheime Formel des Nervengifts Nowitschok hervorgehe.

Marsaleks derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt. Unbestätigten Berichten nach könnte er sich derzeit in Russland oder Weißrussland aufhalten. Er wird in Folge des massiven Skandals um seinen ehemaligen Arbeitgeber, den insolventen Bezahldienstleister Wirecard, mit internationalem Haftbefehl gesucht.

(axk)