Terrorismusbekämpfung: Mehrheit der EU-Bürger gegen Internetzensur

Nur 38 Prozent der EU-Bürger unterstützen laut einer Umfrage den von der Politik geforderten Einsatz von Upload-Filtern gegen terroristische Inhalte.

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Terrorismusbekämpfung: Mehrheit der EU-Bürger gegen Internetzensur

(Bild: mixmagic/Shutterstock.com)

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Unter der EU-Bevölkerung ist die Skepsis gegenüber den EU-Plänen für Zensurmaßnahmen im Kampf gegen terroristische Inhalte im Internet groß. Nur 38 Prozent der 10.214 Teilnehmer einer Umfrage in zehn Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, Tschechien oder den Niederlanden befürworten den Einsatz von Upload-Filtern in diesem Bereich. 44 Prozent sind der Ansicht, dass allenfalls staatliche Stellen wie die Polizei oder ein Gericht Inhalte als illegal einstufen können sollten. 15 Prozent sind gegen beide Optionen.

Die Meinungssondierung führte das Marktforschungsinstitut YouGov im Auftrag des EU-Abgeordneten Patrick Breyer durch, der den Piraten angehört und als Schattenberichterstatter der Fraktion der Grünen an den laufenden Verhandlungen der EU-Gremien über einen Vorschlag der Kommission für eine Verordnung gegen Terrorpropaganda beteiligt ist.

Die Initiative der Brüsseler Exekutivinstanz und der EU-Regierungen, Internetveröffentlichungen in ihrem Land künftig von Behörden in allen 27 EU-Staaten auf terroristische Inhalte überprüfen und gegebenenfalls löschen zu lassen, unterstützen laut den Ergebnissen nur 30 Prozent der Befragten. Dagegen verlangen 51 Prozent, dass über die Zulässigkeit von Online-Publikationen allenfalls Behörden oder Richter ihres eigenen Landes entscheiden sollten.

Kritiker befürchten angesichts dieses Ansatzes, dass ausländische Regierungen wie in Ungarn künftig etwa in Deutschland völlig legal veröffentlichte Inhalte als "Terrorismus" einstufen und löschen lassen könnten. Jedes EU-Land verwendet eigene Listen einschlägiger Organisationen. So betrachtet die spanische Regierung in Madrid die katalanische Unabhängigkeitsbewegung als Form des Terrorismus. 2019 forderten französische Strafverfolger über Europol unter diesem Aufhänger, hunderte Webseiten wie Cartoons, wissenschaftliche Veröffentlichungen und Informationen zu Veganismus aus einem Online-Archiv entfernen zu lassen.

Auch nach der Linie des EU-Parlaments sollen Provider verpflichtet werden, Terrorpropaganda schnellstmöglich spätestens binnen einer Stunde nach einer behördlichen Anordnung zu löschen. Viele der betroffenen Firmen dürften so kaum Upload-Filter vermeiden können. Der französische Verfassungsgerichtshof erklärte ein ähnliches nationales Gesetz mit dieser Stundenfrist zwar bereits für verfassungswidrig. Die schwedische EU-Innenkommissarin Ylva Johansson und die deutsche Ratspräsidentschaft unter Führung des Bundesinnenministeriums halten trotzdem an dem vergleichbaren EU-Vorhaben fest.

"In Anbetracht des jüngsten Gerichtsurteils und der öffentlichen Meinung müssen die EU-Regierungen ihr Beharren auf ausländischen Löschanordnungen und Upload-Filterpflichten endlich aufgeben", fordert Breyer. "Terroristische Online-Propaganda sollte wirksam bekämpft werden, ohne jedoch die digitale Wirtschaft übermäßig zu belasten oder gar Grundrechte zu opfern." Der Jurist mahnte: "Wir müssen uns gegen eine Internet-Zensur nach chinesischem Vorbild zur Wehr setzen." (tiw)