BR-Intendant Wilhelm: Rundfunk der Zukunft wird eine Plattform sein

Nach zehn Jahren als BR-Chef verabschiedet sich Intendant Ulrich Wilhelm Ende Januar 2021. Zur Zukunft der Medien hat er aber noch einiges zu sagen.

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BR-Intendant Wilhelm: Rundfunk der Zukunft wird eine Plattform sein

(Bild: dpa, Peter Kneffel/dpa)

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  • dpa

Seit langem macht sich Ulrich Wilhelm als Intendant des Bayerischen Rundfunks für ein europäisches Gegengewicht zu Internet-Riesen wie Facebook, Google und Amazon stark. Das Ziel: Eine unabhängige digitale Infrastruktur. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse zu einer Plattform werden, sagt er zum Ende seiner Intendanten-Zeit im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Schauen wir auf den 1. Februar 2021. Sie wachen morgens auf, was haben Sie sich für den ersten Tag nach Ihrer Zeit als Intendant beim Bayerischen Rundfunk (BR) vorgenommen?

Der 1. Februar ist ein Montag, da werde ich es genießen, nicht gleich an die ersten Termine des Tages denken zu müssen. Von diesem Gefühl der immerwährenden Erreichbarkeit und der engen Taktung muss ich vermutlich erst einmal loskommen.

Welche Baustellen hinterlassen Sie?

Mit Blick auf den rasanten technischen Wandel gleicht jedes Medienunternehmen einer immerwährenden Baustelle. Für uns war entscheidend, unsere große trimediale Reform selbst aus der Mitarbeiterschaft heraus zu erarbeiten und die bisherige strikte Trennung von Hörfunk, Fernsehen und Online zu überwinden. Dadurch haben sehr viele an den Bauplänen für die Ausrichtung des BR mitgearbeitet und wissen, wo wir hinwollen.

Und wo genau will der Rundfunk hin?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Zukunft wird eine Plattform sein. Neben eigenen Inhalten muss er auch Inhalte Dritter – zum Beispiel aus Wissenschaft und Kultur – bündeln und kuratieren können, sozusagen im Sinne einer gemeinwohlorientierten Community. Er wird weiterhin ein vielfältiges Angebot an Information, Bildung, Kultur, Sport und Unterhaltung zur Verfügung stellen, so wie es das Bundesverfassungsgericht immer wieder gefordert hat. Sein Alleinstellungsmerkmal bleibt die Gemeinwohlorientierung. Zum Gesamtangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zählen auch weiterhin lineare Angebote aus Hörfunk und Fernsehen.

Was muss sich an der Struktur der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland ändern, damit das Ganze zukunftsfähig bleibt?

Vor allem anderen bleiben entscheidend: Angebote von Wert für die gesamte Gesellschaft. Zudem brauchen wir mehr rechtliche Freiheiten, uns als Plattform begreifen zu dürfen. Schließlich sehe ich auch Anpassungsbedarf beim Verfahren der Finanzierung: Die KEF als unabhängiges Fachgremium für die Empfehlung zur Höhe des Rundfunkbeitrags leistet grundsätzlich eine gute und wichtige Arbeit. Sie berücksichtigt allerdings zu wenig die föderale Gliederung der ARD. Föderale Vielfalt wird schnell zu einer betriebswirtschaftlichen Doppelstruktur verkürzt.

Was wären die konkreten Auswirkungen beim BR, wenn die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021 nicht kommen sollte, weil eines der Länderparlamente nicht zustimmen sollte? Gegenwind kommt schon lange aus Sachsen-Anhalt.

Wenn 15 Landesparlamente ratifizieren und eines nicht, dann ist das zuerst ein Thema der Gesamtheit der Länder, wie sie mit der Situation umgehen. Zusätzlich stellt sich für ARD, ZDF und Deutschlandradio die Frage: Wie gehen wir in der ab 1. Januar 2021 beginnenden Finanzierungsperiode damit um, dass die Mittel, die wir nach der KEF-Vorgabe benötigen, gar nicht eingenommen werden können?

Der BR wird dann beim Bundesverfassungsgericht klagen?

Selbstverständlich ist das eine Option. Der Schutz der Rundfunkfreiheit ist ein Verfassungsgut. Die Rechtslage zur Umsetzung der KEF-Empfehlung ist klar. Meine Hoffnung ist, dass es zu einer Verabschiedung des Staatsvertrags in allen 16 Landesparlamenten kommt.

Auf europäischer Ebene machen Sie sich für eine neue Architektur stark: eine digitale Infrastruktur als Gegengewicht zu US-Größen wie Google, eine Art digitales Straßen- und Wegesystem, auf dem auch Medienangebote abrufbar sein könnten. Dazu gab es jüngst ein Impulspapier der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Wo steht diese Idee jetzt?

Das Impulspapier ist auf großes Interesse gestoßen und hat eine intensive Debatte ausgelöst. Ich freue mich, dass immer mehr Stimmen aus der Politik sagen: An dem Thema ist viel dran. Unserer Selbstbehauptung im Digitalen müssen wir mehr Kraft und Zeit widmen. Der Ausgang ist offen. Es gibt viele Einzelprojekte, aber es fehlt eine ambitionierte, europäische Gesamtinitiative. Ohne staatliche Koordinierung, die über Regulierung hinausgeht, wird es nicht klappen.

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