Ganzjahresreifen im Test: Schlechte Haltenoten
In zwei aktuellen Tests zeigen Ganzjahresreifen zum Teil dramatisch schlechte Bremsleistungen. Doch einige sind ein guter Kompromiss.
Ganzjahresreifen im Test: Fast immer ist der Bremsweg erheblich länger als mit den Spezialisten für Sommer oder Winter.
(Bild: KÜS)
In der Theorie ist die Sache furchtbar einfach: Ganzjahresreifen, euphemistisch hin und wieder auch Allwetterreifen genannt, belasten die Haushaltskasse spürbar weniger als Sommer- und Winterreifen. Dabei spart man sich nicht nur die Einlagerung, den zweimaligen Radwechsel pro Jahr, sondern auch einen zweiten Satz Felgen samt den inzwischen häufig eingesetzten Sensoren zur Drucküberwachung. Das überzeugt immer mehr Autobesitzer: Der Marktanteil hat sich zwischen 2014 und 2019 verdoppelt.
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In der Praxis ist die Sache dann allerdings etwas komplizierter, wie zwei aktuelle Tests zeigen. Vor allem ist Sparen auf Teufel komm raus wirklich gar keine schlaue Idee. Das belegen die Ergebnisse die Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger e. V. (KÜS) eindrucksvoll. Doch auch, wer zu einer bekannten Marke greift, muss mit ein paar Nachteilen gegenüber den Spezialisten für Sommer und Winter rechnen.
Längere Bremswege
Dazu gehören vor allem die unter fast allen Bedingungen längeren Bremswege, mit einer Ausnahme: Die Ganzjahresreifen von Bridgestone und Goodyear sind beim Bremsen auf nasser Fahrbahn dem Sommerreifen überlegen. In allen anderen Disziplinen haben die vermeintlichen Alleskönner keine Chance. Die Verzögerung von 100 auf Null km/h auf trockener Fahrbahn ist laut ADAC mit einem guten Sommerreifen nach 37 Metern erledigt. Der in dieser Disziplin beste Ganzjahresreifen kommt von Michelin und braucht dafür schon 6,5 Meter mehr. Mit Uniroyal-Reifen stand das Testauto erst nach 51,6 Metern.
Ganzjahresreifen im ADAC-Test (3 Bilder)

Das Bild vervollständigt sich auf Eis und Schnee im Verhältnis zu einem guten Winterreifen. Der Vredestein braucht auf Schnee 8,5 Meter mehr als der Winter-Pneu, auf Eis sind es gar 9,1 Meter. Warum er in der Bewertung "Eis" trotzdem die Note 2,7 bekommt, ist zumindest erstaunlich. Bei den Themen Kraftstoffverbrauch und Verschleiß schneiden alle Reifen mindestens "gut" ab, bei der Beurteilung des Laufgeräuschs nur befriedigend.
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Der Testsieger kommt von Continental, der sich nur auf trockener Fahrbahn Schwächen leistet, ansonsten aber recht ausgewogen ist. Der Michelin schneidet auf Schnee nur ausreichend, ansonsten aber überall gut ab. Er ist eine Empfehlung für schneearme Regionen und ein Einsatzprofil, in dem das Auto im Extremfall auch mal stehenbleiben kann. Wer die Ganzjahresreifen von Vredestein und Bridgestone nutzen will, sollte sich der gravierenden Schwächen auf schneebedeckter Fahrbahn bewusst sein.
Billigreifen
Die Billigheimer der Dimension 205/55 R16, die die KÜS unter die Lupe nahm, fielen vor allem beim Bremsen gegenüber einem guten Ganzjahresreifen von Goodyear geradezu dramatisch ab. Schon bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h liegen rund zehn Meter Bremsweg zwischen dem Goodyear und dem schlechtesten Pneu von Superia. Anders ausgedrückt: Während das Auto mit dem Goodyear schon steht, ist es mit dem Superia noch mit 39 km/h unterwegs, so die KÜS. Dass auch die Traktion merklich schlechter ist, passt dann ins Bild.
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Insgesamt zeigen beide Tests, dass ein Ganzjahresreifen keine schlechte Wahl sein muss, sofern der Fahrer im Sommer und erst recht im Winter keine Höchstleistungen erwartet. Billig heißt nicht preiswert, das zeigt der KÜS-Test.
(Bild: KÜS)
Die zum Teil sehr viel längeren Bremswege sind indiskutabel, egal ob an der Seite ein Markenlogo prangt oder nicht. Hier bleibt vielfach noch eine Menge zu tun für die Entwickler. Die Vorstellung, ohne Abstriche einen Reifentyp das ganze Jahr nutzen zu können, ist bis heute keine Realität geworden. Perspektivisch ist damit auch nicht zu rechnen, denn die Hersteller dürften kaum ein Interesse daran haben, sich das lukrative Geschäft mit Sommer- und Winterreifen selbst zu zerstören.
(mfz)