Studie: Das "Internet der Körper" wirft viele ethische Fragen auf

Fitness-Armbänder und Smartwatches sammeln immer mehr sensible persönliche Daten, was nicht nur die Privatsphäre untergräbt.

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(Bild: My Life Graphic/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
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Die Autoren der Studie "Das Internet der Körper", die die US-Denkfabrik RAND vorige Woche veröffentlicht hat, mahnen eine stärkere Regulierung von Wearables und anderer am und im Menschen getragener Technik an. Diese Geräte verkomplizierten einen Bereich, der bereits mit rechtlichen, ethischen und moralischen Risiken überladen sei, schreiben sie. Der US-Kongress sollte daher Vorgaben rund um die Transparenz und den Schutz der erhobenen sensiblen persönlichen Informationen machen.

Innerhalb des umfassenderen Internets der Dinge (Internet of Things, IoT) spielt laut der Analyse eine Untergruppe von Geräten eine immer wichtigere Rolle, "die den menschlichen Körper überwachen" und die gesammelten Daten übers Netz übertrügen. Dieses "Internet of Bodies" (IoB) bestehe aus Apparaten, die Software, Hardware und Kommunikationsmöglichkeiten kombinierten. Dabei gehe es darum, umfangreiche persönliche Gesundheitsinformationen zu erheben, lebenswichtige medizinische Behandlungen durchzuführen oder den Komfort, die Funktion oder das Wohlbefinden des Körpers zu verbessern.

Jenseits der bereits vielfach verwendeten Fitness-Tracker und Smart Watches beschreiben die Forscher zahlreiche andere Anwendungsszenarien. So könnten künstliche Bauchspeicheldrüsen etwa die Insulindosierung für Diabetiker automatisieren oder Hirn-Computer-Schnittstellen es Amputierten ermöglichen, Prothesen per Gedanken zu steuern. Für Eltern nützlich seien intelligente Windeln, die sie "per Bluetooth-Applikation warnen, wenn ihr Baby gewickelt werden muss".

Doch trotz seines revolutionären Potenzials, könnte das Internet der Körper "unsere intimsten persönlichen Informationen gefährden", warnen die Wissenschaftler. "Es werden riesige Datenmengen gesammelt, und die Vorschriften über diese Daten sind wirklich undurchsichtig", beklagt die Studienleiterin Mary Lee einen rechtlichen "Wilden Westen" in dem Gebiet. "Es ist meist völlig unklar, wem die Daten gehören, wie sie verwendet werden und sogar, an wen sie verkauft werden können."

Lee und ihre Kollegen untersuchten vor allem die Gefahren, die von IoB-Geräten auf den Feldern Datenschutz, Cybersicherheit und Ethik ausgehen. Sie verweisen etwa auf den Fall von Ross Compton, dessen 400.000-Dollar-Haus in Middletown, Ohio, im September 2016 ein Feuer verwüstete. Glücklicherweise sei er in der Lage gewesen, ein paar Taschen mit verschiedenen Besitztümern zu füllen, erklärte er später den Ermittlern. Darunter sei das Ladegerät für eine externe Herzpumpe gewesen, die er zum Überleben brauchte. Gerade noch rechtzeitig habe er mit einem Stock ein Fenster zertrümmern und entkommen können.

Doch als sich der Rauch verzogen hatte, schöpfte die Polizei Argwohn. Die Fahnder erwirkten einen Durchsuchungsbefehl, um Daten über Comptons Herztätigkeit vor, während und nach dem Feuer zu erhalten. Nach Durchsicht dieser Informationen kam ein Kardiologe zu dem Schluss, dass es "höchst unwahrscheinlich" sei, dass der Fliehende den Flammen so schnell hätte entkommen können, während er so viele Habseligkeiten nebst seines Herzschrittmachers mit sich herumschleppte.

IoB-Geräte "können den Aufenthaltsort, die Körperfunktionen und das, was die Benutzer sehen, hören und sogar denken, verfolgen, aufzeichnen und speichern", halten die Verfasser fest. Es gebe dazu nur einen Flickenteppich an Vorschriften in den USA. Datenmakler könnten daher abhängig von dem Bundesstaat, in dem die Nutzer leben, Messwerte an Dritte verkaufen. Diesen stünde es dann offen, ein Profil über die Anwender zu erstellen. Amazon habe derweil schon ein Verfahren patentiert, um über ein Armband die Produktivität von Mitarbeitern zu messen.

Bei implantierten medizinischen Geräten könnten Hacker diese manipulieren und die Träger so körperlich schädigen oder sogar töten, heißt es in der Untersuchung. Auch die nationale Sicherheit gebe Anlass zur Sorge, da alle über das IoB gesammelten Daten das Potenzial hätten, sensible Informationen wie den Standort von US-Militärangehören preiszugeben.

Die RAND-Experten bringen weitere ethische Bedenken vor wie Diskriminierung und Gefahren für die persönliche Autonomie durch die Technik. Ohne Versicherungsschutz, Internetzugang oder ein gewisses Maß an technischer Versiertheit könnten einige Bevölkerungsgruppen ihnen zufolge den unmittelbaren Nutzen des IoB auf lange Sicht verpassen. Offen sei etwa auch, ob der Einzelne das Eigentum an seinen persönlichen Gesundheitsdaten habe.

Die Wissenschaftler plädieren so dafür, Datenschutz und IT-Sicherheit von Anfang an in die Technik einzubauen, und häufig sowie einfach Updates zur Verfügung zu stellen. Ältere medizinische Geräte, die den heutigen Standards rund um Cybersecurity nicht mehr entsprächen, müssten rasch ausgesondert werden. Das US-Wirtschaftsministerium könnte ausländische Firmen zudem auf eine schwarze Liste setzen, wenn ihre IoB-Geräte Menschrechte verletzten.

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(axk)