Keine Energiewende kostet auch

Verfehlt Deutschland die Klimaziele der EU, zahlt es einen hohen Preis. Doch wie viel genau?

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Was Leute ja gerne vergessen, wenn sie auf die angeblich so teure Energiewende schimpfen: Keine Energiewende ist möglicherweise noch kostspieliger. Es hat sich vielleicht noch nicht überall herumgesprochen, aber es gab da 2015 in Paris ein völkerrechtlich bindendes Klimaabkommen. Die Details hat Roland Wengenmayr für unsere aktuelle Ausgabe recherchiert und aufgeschrieben. Der zentrale Punkt ist: EU-Mitgliedsländer, die ihre Klimaziele für 2030 verfehlen, müssen sogenannte Annual Emission Allocations (AEAs) von anderen Staaten kaufen, die ihre Ziele übererfüllt haben. Oder sie müssen sie sich auf Strafzahlungen an die EU gefasst machen, und auch das würde – genau: teuer.

Über welche Summen wir hier reden, geht aus einer Studie der Agora Energiewende hervor. Sie schätzt, dass Deutschland, wenn es so weiter macht wie bisher, bis 2030 über 600 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent zu viel emittieren würde. Bei einem angenommenen Handelspreis von 100 Euro pro Tonne CO2äq macht das rund 60 Milliarden Euro. Die entspricht im aktuellen Bundeshalt ungefähr dem Verteidigungsbudget plus dem Budget des Innenministeriums. Und die Verschärfung der EU-Klimaziele durch den Green Deal sind darin noch nicht einmal enthalten.

Nun enthält diese Rechnung natürlich ziemlich viele ziemlich wenig belastbare Annahmen. Absehbar ist in der Tat: Deutschland wird mit seinem kleinteiligen Herumgeschraube am EEG die Ziele never ever erreichen. Aber um wie viele Millionen Tonnen genau wird es die Latte reißen? Und was wird die Tonne CO2 in zehn Jahren tatsächlich kosten? Wer weiß das schon…

Trotzdem klingt die Idee im Prinzip bestechend: Schon allein die ungefähre Größenordnung künftiger Zahlungen könnte einen disziplinierenden Einfluss auf die Energiepolitik haben. Wenn das Verfehlen von Klimazielen ein halbwegs konkretes Preisschild bekäme, ließen sich Investitionen in den Klimaschutz viel besser kalkulieren und rechtfertigen. Die Wirtschaftlichkeit von Erneuerbaren Energien und Einsparmaßnahmen würde auf völlig neue Füße gestellt.

Aber ich fürchte, die EU hat’s mal wieder vermasselt. Die Staaten müssen nämlich lediglich offenlegen, wie viele AEAs sie bilateral handeln, nicht aber deren Preis. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Handel ohne öffentliche Preise. Was soll der Quatsch? Welche Kungelrunde hat sich das bloß ausgedacht? Die Regelung öffnet weiterer Mauschelei doch Tür und Tor: Statt Geld könnte Deutschland beispielsweise hinter verschlossenen Türen auch politische Gegenleistungen für die Überlassung von AEAs versprechen. Und jede Transparenz und jede nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Rechnung ist mal wieder zum Teufel.

(grh)