Crypto Wars: Zurück auf den Stand des analogen Telefons

Ermittler müssten verschlüsselte Kommunikation genauso abhören können wie das analoge Telefon, meint die Regierung. Die EU will mehr Reisebewegungen erfassen.

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(Bild: Aripai Leangphet/Shutterstock.com)

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Christian Klos, Leiter der Abteilung öffentliche Sicherheit im Bundesinnenministerium, hat am Montag Kritik zurückgewiesen, dass die Politik ständig nur neue Befugnisse für die Polizei und Geheimdienste schaffe. Es gebe im Kern nur drei Ermittlungsansätze, erklärte er im Namen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am Montag im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments: Reisebewegungen, Kommunikation und bestehende Auffälligkeiten durch strafbare Handlungen. Wichtig sei es daher für die Sicherheitsbehörden, diese Möglichkeiten prinzipiell zu erhalten, betonte Klos.

Angesprochen auf die Debatte über die von der Bundesregierung geforderte Beihilfe von Dienstanbietern wie Apple, Facebook, Google, Threema, Signal oder WhatsApp zum Entschlüsseln elektronischer Kommunikation erklärte er, die Ermittler müssten auf diesem Feld in den Stand versetzt werden, so abzuhören "wie beim analogen Telefon". Der Ministerrat habe sich zu der Vorlage der Bundesregierung für eine Erklärung zur Verschlüsselung aber noch keine einheitliche Meinung gebildet.

"Verschlüsselung ist ein schwieriges Thema", meinte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bei der Online-Diskussion mit den Abgeordneten. Das Werkzeug sei wichtig für den Schutz der Privatsphäre. Kriminelle könnten es aber auch verwenden, um ihre Kommunikation zu verbergen. Es gehe daher darum, ausbalancierte rechtliche und technische Lösungen zu finden. Eingeschlossen sein müssten "effektive Instrumente für die Strafverfolgung".

Kompromisse seien bei dem Thema nicht möglich, unterstrich Patrick Breyer von der Piratenpartei für die Grünen-Fraktion. Verschlüsselung sei wichtig für die Internetsicherheit. Die Politik müsse sich daher entscheiden, ob sie diese Schutzmöglichkeit aufrechterhalten oder abschaffen wolle. Moritz Körner (FDP) monierte, dass Kommission und Rat gerade nach Terrorattacken immer wieder in gleiche Überwachungsmuster zurückfielen, "bevor wir analysiert haben, woran Fehler gelegen haben".

Fragen der Parlamentarier zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten beantwortete Johansson nicht. Dafür ging sie auf Pläne ein, die Richtlinie zum verdachtsunabhängigen Sammeln von Flugpassagierdaten im kommenden Jahr zu reformieren. Dabei stehe etwa im Raum, mehr Strecken sowie andere Transportarten zu Land und zu Wasser zu erfassen, also etwa den Bus- und Bahnverkehr. Zudem solle die Qualität der Daten verbessert werden etwa durch automatische Lösungen zum Einscannen von Pässen sowie mehr Standardisierung.

Kanada hat der Kommissarin zufolge derweil einen neuen Vorschlag für ein Abkommen zum Austausch von Passenger Name Records (PNR) nicht akzeptiert, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) den alten durchfallen ließ. Die Gespräche lägen auf Eis. Die Luxemburger Richter prüfen momentan auch noch die PNR-Richtlinie.

Erweitern will Johansson den 2005 geschlossenen Prümer Vertrag, auf dessen Basis viele EU-Staaten inklusive Deutschland DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregisterdaten elektronisch austauschen und ihre nationalen Datenbanken vernetzen. Die bilaterale Informationsweitergabe müsse dabei über einen "zentralen Router" vereinfacht werden, führte die Schwedin aus. Derzeit müssten Ermittler an jeden einzelnen Mitgliedsstaat herantreten und für verschiedene Datenarten unterschiedliche Kanäle nutzen. Künftig sollen über das geplante direkte Register über einen Link potenzielle Treffer in den Datenbanken aller beteiligten EU-Länder abgeglichen werden.

"Wir müssen unseren gemeinsamen Kampf gegen Terroristen online und offline verstärken", forderte die Kommissarin weiter. Für eine Radikalisierung dürfe das Internet nicht mehr genutzt werden. Es sei daher dringlich, die Verhandlungen über die umstrittene geplante Verordnung zum Löschen terroristischer Inhalte noch vor Weihnachten abzuschließen. Im Kampf gegen "Hass-Gemeinschaften" im Netz müssten Facebook & Co. Inhalte unverzüglich herunternehmen. Entsprechende Löschanordnungen sollten die zuständigen Behörden grenzüberschreitend durchsetzen können.

"Alle, die in die EU kommen oder sie verlassen", müssen laut Johansson zudem im Schengener Informationssystem erfasst werden. Hier gelte es, noch Lücken in den Mitgliedsstaaten zu schließen. Kritische Infrastrukturen sollten zudem besser vor Terroristen geschützt werden, wofür die Kommission noch in diesem Jahr einen Vorschlag machen werde.

Sie höre immer nur "Daten, Daten, Daten", hielt die Linke Cornelia Ernst der Kommissarin entgegen. Dies sei ein "sehr verkürzter Blick" auf die Terrorismusbekämpfung, mit dem zudem von der Privatsphäre nicht mehr viel übrig bleibe. Isabel Santos von den Sozialdemokraten gab zu bedenken, dass die EU nicht gegen ihre eigenen Grundrechte handeln dürfe. Lukas Mandl von der konservativen Europäischen Volkspartei drängte auf "lückenlose Namenslisten" von allen Anhängern des "politischen Islam" und anderer "Gefährder". Private Diensteanbieter hätten eine Verantwortung, deren Hassinhalte zu bekämpfen.

(kbe)