Autovernetzung: FCC stoppt WLANp und schiebt C-V2X an

Die US-Regulierungsbehörde FCC entzieht der Autovernetzung auf WLAN-Basis das Funkspektrum. Stattdessen kommt in den USA nun die Mobilfunktechnik C-V2X zum Zug.

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Politik und Forschung erhoffen sich von der Funkvernetzung der Autos höhere Sicherheit im Straßenverkehr. Die US-Behörde FCC schickt nun die WLAN-basierte Vernetzung in Rente und fördert eine Mobilfunktechnik.

(Bild: 5GAA)

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Die US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) hat ihre im Dezember 2019 veröffentlichte Absicht umgesetzt: Sie stoppt die Autovernetzung WLANp (IEEE-Spezifikation 802.11p) und macht den Weg frei für andere Funkanwendungen. FCC-Chef Ajit Pai begründete den Schritt mit jahrelangem Leerstand des Spektrums, das 11p seit 2010 exklusiv zustand.

Weil FCC-Entscheidungen für andere Regulierungsbehörden oft richtungweisend sind, zieht der Schritt auch in Europa Aufmerksamkeit auf sich. Zudem ist die Autoindustrie in zwei Lager gespalten: Einige Unternehmen, darunter der weltgrößte Autokonzern Volkswagen, setzten bisher auf 11p, während andere die erst 2017 spezifizierte Mobilfunktechnik C-V2X vorziehen (Cellular Vehicle-to-Everything). C-V2X gründet auf LTE und 5G.

Beide Methoden, 11p und C-V2X, wurden in der Hoffnung entwickelt, die Unfallzahlen im Straßenverkehr senken zu können. Dafür warnen sich vernetzte Fahrzeuge gegenseitig etwa vor plötzlichem Bremsen oder Glatteis. Die Techniken stören sich aber gegenseitig, wenn sie im selben Funkband arbeiten. Weil die Autoindustrie mangels Nachfrage kaum vernetzte Autos ausgeliefert hat, wollen Forschung und Politik die Vernetzung zur Pflicht machen und eine einheitliche Spezifikation verordnen. Weltweit ist dafür nur ein spezielles Funkband bei 5,9 GHz reserviert. In den USA war es fest an 11p gebunden.

Manche Funkspezialisten sehen 11p jedoch als Sackgasse. Wenn nämlich zwei oder mehr Fahrzeuge 11p-Nachrichten gleichzeitig senden, kann es zu Kollisionen kommen, sodass die Nachrichten nicht zugestellt werden. Die Kollisionen nehmen mit zunehmender Fahrzeugdichte zu. Bei Techniken, die Funkressourcen koordiniert zuteilen, also etwa LTE oder 5G, kommen Kollisionen erst bei Überlastung einer Funkzelle vor. Störungen durch LTE- oder 5G-Smartphones sind ausgeschlossen, weil diese dem 5,9-GHz-Band fernbleiben.

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Jedoch ist auch C-V2X nicht frei von Kritik. Bei direkter Auto-zu-Auto-Kommunikation (PC5-Schnittstelle) muss man auch mit C-V2X Kollisionen hinnehmen. Eine sichere Nachrichtenzustellung klappt zwar bei indirekter Kommunikation über Basisstationen (Uu-Schnittstelle), doch müssen diese dafür aufgerüstet werden. Offen ist, wie teuer das wird. Unklar ist auch, wie eine Basisstation Autos mit fremden SIM-Karten erreichen soll, also etwa wie eine Vodafone-Basis Nachrichten an Autos mit Telekom- oder O2- oder gar mit ausländischen SIM-Karten zustellen soll.

Trotz offener Fragen hat sich die FCC nun neu festgelegt: Laufende 11p-Projekte haben jetzt ein Jahr Zeit, den Bereich von 5850 MHz bis 5895 MHz zu räumen. Für die Autovernetzung bleiben die oberen 30 MHz reserviert (5895 bis 5925 MHz). Dort ist jetzt aber C-V2X Pflicht. Die freigewordenen 45 MHz sind umgehend für den unlizenzierten Betrieb in Gebäuden freigegeben. Das kommt der WLAN-Spezifikation 802.11ax zugute (Wi-Fi 6).

In Deutschland hat die Bundesnetzagentur das 5,9-GHz-Band bisher technologieneutral vergeben. Jedoch hat die EU-Kommission bis zum Sommer 2019 auf 11p gesetzt. Das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) will nun bis Mitte 2022 klären, wie 11p und C-V2X koexistieren könnten – beispielsweise in separaten Kanälen. Eine Regelung könnte laut der BNetzA bis zum 30. September 2023 erfolgen.

China bevorzugt C-V2X und damit LTE und 5G. In Deutschland stützen beispielsweise Audi, BMW, Daimler oder auch die Deutsche Telekom C-V2X. VW hat indes erst im Sommer 2020 seinen ersten Golf mit 11p auf die Straße gebracht. Wegen der Entscheidung der FCC könnte nun der Eindruck entstehen, dass VW auf das falsche Pferd gesetzt hat, doch die Wolfsburger geben sich ungerührt.

Sprecher Christian Buhlmann betonte auf Nachfrage, dass die 11p-Vorteile unbestritten seien. Buhlmann ergänzt jedoch: "Parallel setzen wir im Konzern aber auch auf C-V2X. Die Änderung für die USA hat für uns keine unmittelbare Auswirkung, da wir mit 11p ausgestattete Fahrzeuge wie den neuen Golf dort gar nicht anbieten." VW Nordamerika geht noch einen Schritt weiter. Mark Gillies antwortete auf Nachfrage, dass die Konzerntochter Audi in Georgia und Virginia C-V2X-Feldversuche starten will.

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(dz)