Der Jahrgang 91 hat nun die Chance auf ein H-Kennzeichen. Neben den erwartbaren Klassikern gibt es einige Modelle, die kaum einer auf dem Zettel haben dĂĽrfte.
Vor knapp 30 Jahren ist die europäische Welt noch mitten in einem Umbruch, der 1989 eingeschlug. Die politischen wie wirtschaftlichen Koordinaten verschieben sich heftig, die Zukunft scheint rosig zu leuchten. Autos, die jetzt auf den Markt kommen, haben eine viel größere Käuferschaft als ihre Vorgänger. Der Jahrgang 1991 hat dabei einige interessante Neuzugänge vorzuweisen, die 2021 erstmals die Chance auf ein H-Kennzeichen haben. Unsere Auswahl zeigt frische Oldtimer, wobei die Zuneigung höchst unterschiedlich verteilt sein dürfte.
Mit der Baureihe W140 setzt Mercedes 1991 neue Maßstäbe. Als erstes Auto weltweit hat die Luxuslimousine serienmäßig ESP an Bord. Und die innovative CAN-Bus-Elektronik vernetzt die unzähligen Steuergeräte miteinander. Denn der W140 ist bis unter das Dach mit Komfortelektronik vollgestopft.
(Bild:Â Mercedes)
Die Luxuslimousine wurde überreichlich mit Hohn und Spott überzogen. Zu groß, zu schwer, zu durstig, am Zeitgeist vorbei – Mercedes musste sich viel anhören. Die Stuttgarter wollten – wieder einmal – das beste Auto der Welt bauen und übersahen in ihrem Eifer, das etwas weniger manchmal deutlich mehr sein kann. Aus heutiger Sicht erscheint die Gestaltung etwas aus dem Leim gegangen, was auch daran liegt, dass wir inzwischen die erste C-Klasse kennen, die die gleiche Design-DNA trägt, aber viel stimmiger wirkt.
Die Zeit zeigt jedoch auch, dass mancher Spott reichlich übertrieben war, denn die Baureihe W140 erwies sich als letzte, die noch aus dem Vollen gefräst war. Der zierlichere Nachfolger erschien im Detail längst nicht mehr so hochwertig. Trotzdem sollte man den mitunter erstaunlich günstig angebotenen W140 nicht sorglos kaufen: Die bis zum Dach mit Komfortelektronik vollgestopfte Luxuslimousine ist im Unterhalt absolut nichts für zartbesaitete Kontostände.
Heute ist der W140 kein Klassiker für Einsteiger, auch wenn er zum Teil für erstaunlich wenig Geld angeboten wird. Doch Elektronikprobleme und andere Defekte können tiefe Löcher ins Portemonnaie reißen.
(Bild:Â Mercedes)
VW Golf 3
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Der VW Golf III tritt in große Fußstapfen. Sein Vorgänger, der Golf II, verkaufte sich über sechs Millionen Mal. 1991 ist es Zeit für ein neues Modell mit frischem Design und fortschrittlicher Technik. Erstmals gibt es den Kompakten mit Airbags, auch bei Crashtests schneidet er durch die verstärkte Fahrgastzelle besser ab.
(Bild:Â VW)
Sehr viel tiefer griff Volkswagen kaum einmal in der langen Golf-Geschichte in das Design seines Bestsellers ein. Golf zwei und drei verwechselt niemand. Der Fortschritt in technischer Hinsicht war durchaus bemerkenswert, auch wenn er sich vielfach im Verborgenen hielt. Ein Beispiel: Erstmals verklebte VW im Golf 3 die Scheiben, statt sie nur mit einem Gummizug in der Karosserie zu halten. Das erhöhte die Steifigkeit. Die passive Sicherheit war auf ein Niveau gehoben worden, das einige Konkurrenten schlecht aussehen ließ.
Negativ fallen Klappergeräusche und andere Verarbeitungsmängel auf, die Folge eines konzerninternen Sparzwang. Heute sind gute GTI ebenso gesucht sowie der VR6, der erste Golf mit Sechszylinder. Allerdings ist der Zweiliter-Vierzylinder wesentlich standfester als der ungewöhnliche VR6.
(Bild:Â VW)
Leider hatte sich VW vorgenommen, die Rendite deutlich zu erhöhen. Das führte dazu, dass der Golf 3 längst nicht mehr die Dauerhaltbarkeit seines Vorgängers erreichte. Die schwankende Qualität führte aus zwei Gründen nicht in den Image-Abgrund: VW bekam über die Jahre die Formschwankungen halbwegs in den Griff. Und die Haupt-Konkurrenten jener Zeit von Ford und Opel lagen qualitativ nochmals unter dem Golf 3.
Opel Astra
Golf gegen Kadett, so heißt das Duell der Erzrivalen aus Wolfsburg und Rüsselsheim. 1991 geht das Rennen in eine neue Runde, nur heißt der Opel jetzt Astra. Mit dem Kunstnamen will sich der Hersteller ein modernes Image geben. Den Astra gibt es zunächst mit Schräg-, später auch mit klassischem Stufenheck und als Caravan.
(Bild:Â Opel)
Voller Stolz waren sie, die Opelaner, als sie im Sommer 1991 den ersten Astra vorstellten. Der ewige Zweite sollte endlich den Dauerrivalen VW Golf ĂĽberholen. FĂĽr das adrett gezeichnete Auto hatten sie sich einiges einfallen lassen. Ein LĂĽftungssystem, bei dem auf Knopfdruck auch GerĂĽche ausgesperrt werden, hatte keiner. Das Display des Werksradios war ausgelagert worden, um den damals weitverbreiteten Radio-Klau zu unterbinden.
Aber bei Opel wird damals eisern gespart. Unter anderem massive Rostprobleme sind die Folge. Den guten Ruf, den Opel sich aufgebaut hatte, zerstört dieser Astra nachhaltig.
Doch der erste Astra wurde nicht die Leuchtfigur seiner Klasse, sondern ein Symbol dafür, wie man treue Kundschaft zuverlässig und nachhaltig in die Arme der Konkurrenz treibt. Schon der letzte Kadett war kein vorbildlich konserviertes Auto, doch der Astra unterbot ihn diesbezüglich nochmals deutlich. Er prägte mit seiner unterentwickelten Rostvorsorge das Image der Marke Opel für lange Zeit. Der in dieser Hinsicht dramatisch bessere Nachfolger hatte damit schwer zu kämpfen.
Fiat Cinquecento
Im Kleinwagen-Segment sorgt 1991 Fiat für Furore. Nach über 20 Jahren bringen die Italiener wieder einen 500er heraus. Der neue Cinquecento (Italienisch für Fünfhundert) hat mit seinem legendären Vorgänger nicht viel gemein. Statt im Knutschkugel-Design tritt der eckige Cinquecento optisch eigenständig auf. Auch Technik und Motoren sind auf neuem Stand.
(Bild:Â Fiat)
Fiat war zu jener Zeit im Kleinstwagen-Bereich ziemlich breit aufgestellt. Trotz aller Schwächen verkaufte sich der ernsthaft als „tolle Kiste“ vermarktete Panda noch immer gut, auch der größere Uno fand seine Abnehmer. Mit dem Cinquecento kam ein Kleinstwagen hinzu, der ähnlich klein wie der Panda, aber viel moderner war.
Basis-Benziner ist ein Vierzylinder mit 900 Kubik mit 40 PS. Flott wird der nur 700 Kilogramm schwere Cinquecento als 1.1 Sporting mit 55 PS. Damit erreicht der Kleine 150 km/h Spitze. Seine größte Stärke hat der Cinquecento aber nicht auf der Autobahn, sondern als Stadtflitzer. Mit seinen 3,2 Metern Länge passt der wendige Dreitürer in Parklücken, die andere ignorieren müssen.
(Bild:Â Fiat)
Mit ansprechender Gestaltung und modernen Motoren wurde der Kleine schnell ein groĂźer Erfolg. Dass heute kaum noch welche zu finden sind, sollte man ihm nicht vorwerfen. Autos dieser Klasse sind nicht fĂĽr die Ewigkeit gebaut, und Fiat hat dafĂĽr ohnehin kein Talent.
Volvo 850
Mit dem 850 beginnt bei Volvo vor 30 Jahren eine neue Ära. Erstmals setzen die Schweden bei einem Mittelklasse-Modell auf Front- statt Hinterradantrieb. Auch die Fahrgastzelle wird komplett neu konstruiert, beim 850 hat das neue Seitenaufprallschutzssystem SIPS Premiere.
(Bild:Â Volvo)
Nein, der 850 war nicht der erste Volvo mit Frontantrieb. Doch erstmals wagten sich die Schweden damit in einen Bereich vor, der ihre Kernkundschaft berührte. Dazu wirkte das Auto wie ein moderner, gleichzeitig aber typischer Volvo, was ihn für eine breiten Käuferschaft attraktiv erscheinen ließ.
Komfort und Verarbeitung sind im Volvo erstklassig. GroĂźer Pluspunkt: Rost ist beim 850 dank hervorragender Vorsorge praktisch kein Thema.
(Bild:Â Volvo)
Dabei hatte die Schweden jene Tugenden, die die Marke auszeichnen, keineswegs vergessen. So gab es hier den innovativen Seitenaufprallschutz SIPS. Rostvorsorge und Qualität waren hervorragend, die eigenwilligen Fünfzylinder sehr haltbar. Kein Wunder also, dass der Volvo 850 ein Riesenerfolg wurde. Die Limousine wurde 1991 vorgestellt, der noch stärker nachgefragte Kombi folgte zwei Jahre später.
BMW war vom Erfolg des ersten Kombis der Marke derart ĂĽberrascht, dass man schon kurze Zeit nach dem Verkaufsstart des 3er Touring eine Wiederholung in der Klasse darĂĽber in Angriff nahm. Das Ergebnis ist der 5er Touring der Baureihe E34. Wie schon beim 3er steht auch bei ihm nicht der maximale Nutzen im Vordergrund, BMW sieht ihn vielmehr als eine Art Nobel-Transporter.
Ein fahrerorientiertes Armaturenbrett, funktional und selbsterklärend, dazu sauber verarbeitet: BMW setzte in den 1990er-Jahren Maßstäbe.
(Bild:Â BMW)
Der Erfolg des E34 Touring gab den Strategen recht, denn das Auto fand reichlich Anklang, obwohl der Laderaum nicht allzu üppig war. Erstmals gab es hier eine separat zu öffnende Heckscheibe bei BMW – eine schlaue Idee, die sich bis heute gehalten hat. Mit einem ausgezeichneten Fahrwerk, erstklassigen Motoren und einer hervorragenden Qualität ist der dritte 5er bis heute ein guter Kauf.
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