IEA: Photovoltaik billigste Stromquelle in der Geschichte

Der Wechsel von fossiler zu erneuerbarer Stromerzeugung könnte schneller geschehen als gedacht. Solarenergie hat einen bemerkenswerten Rekord gesetzt.

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(Bild: Soonthorn Wongsaita/Shutterstock.com)

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„Photovoltaik ist heute in den meisten Ländern durchgehend billiger als neue Kohle- oder Gaskraftwerke“, schreibt die Internationale Energie Agentur (IEA) in ihrem World Energy Outlook 2020, der im Oktober veröffentlicht wurde. „Solar-Projekte bieten nun einige der niedrigsten Elektrizitätskosten der Geschichte.“

An den besten Standorten mit günstiger Finanzierung und politischer Unterstützung könne Solarstrom für 20 Dollar pro Megawattstunde produziert werden. Das entspricht etwa 1,65 Euro-Cent pro Kilowattstunde. In Indien und China sei Photovoltaik etwa gleichauf mit den Betriebskosten bestehender Kohlekraftwerke. In Europa taxiert die IEA die Kosten für große PV-Freiflächenanlagen („utility-scale solar projects“) auf 30 bis 60 $/MWh (2,5 bis 5 Euro-ct/kWh).

„Ich sehe Solarenergie als kommenden König der internationalen Elektrizitätsmärkte“, erklärte der IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. „Basierend auf den heutigen politischen Vorgaben wird sie ab 2022 jedes Jahr Rekorde brechen.“ Im aktuellen Ausblick schätzte die IEA den Solarstrom 20 bis 50 Prozent günstiger ein als im Vorjahr. Ähnlich Kostensenkungene gelten auch für Offshore- und Onshore-Windkraft. Ursache dafür seien in erster Linie niedriger eingeschätzte Kapitalkosten. Sie machen laut IEA bis zur Hälfte der Stromkosten aus.

Tatsächlich ist die Photovoltaik längst dabei, Rekorde zu brechen. Im Mitte Dezember veröffentlichten EU Market Outlook for Solar Power des Branchenverbandes Solarpower Europe heißt es: „Die aktuellen Daten zeigten wirklich eine große Überraschung: Die neu installierte Solarleistung in der Europäischen Union ist 2020 um elf Prozent auf 18,2 GW gestiegen. Nicht ein einziger Analyst hatte noch vor sechs Monaten eine so positive Entwicklung vorhergesagt.“ Auch hier sehen die Autoren die günstigeren Finanzierungen als einen entscheidenden Faktor.

Spitzenreiter in Europa war Deutschland mit einem Zuwachs von 4,8 GW. Das ist der höchste Wert seit den Rekordjahren von 2010 bis 2012, als drei Jahre hintereinander mehr als 7 GW zugebaut wurden. Kurz vor Jahresschluss beschloss die Bundesregierung zudem mit ihrer EEG-Novelle, einige Bremsen für den Zubau von Photovoltaik zu lockern.

Weltweit rechnet die IEA damit, dass Photovoltaik die Kohle bis 2025 als weltweit größten Stromlieferant überholt haben wird. Allein in Europa werden laut IEA-Prognose bis 2040 Kohlekraftwerke mit insgesamt rund 129 GW vom Netz gehen – 88 Prozent der installierten Leistung. Nach Daten von energy-charts.de liegt der Gipfel der Kohleverstromung in Deutschland längst hinter uns: Bei Braunkohle wurde er 2013 mit 145 Terawattstunden erreicht, bei Steinkohle schon 2003 mit 122 TWh. Insgesamt haben Braun- und Steinkohlekraftwerke hierzulande im laufenden Jahr bisher gemeinsam 113 TWh (24 Prozent) zur Nettostromerzeugung beigetragen, Solarenergie 50 TWh (11 Prozent) und Windkraft 124 TWh (27 Prozent).

Nun zeigt sich, dass der weitere Ausstieg aus der Kohle deutlich schneller geschehen könnte als erwartet: Anfang Dezember gab die Bundesnetzagentur die Ergebnisse der ersten Ausschreibung zum Kohleausstieg bekannt. Betreiber konnten Gebote abgeben, zu welchen Prämien sie ihre Kraftwerke stillzulegen bereit sind. Die günstigsten Gebote werden solange berücksichtigt, bis die in der ersten Runde ausgeschriebene Leistung von rund 4000 Megawatt erreicht ist.

Als Obergrenze für eine Stilllegungsprämie legte die Bundesnetzagentur 165.000 Euro pro Megawatt fest. Doch dieser Preis wurde nicht erreicht, denn die Auktionsrunde sei „deutlich überzeichnet“ gewesen, so die Bundesnetzagentur. Das bedeutet: Die Betreiber wollten weitaus mehr Leistung vom Netz nehmen als angeboten – und unterboten sich gegenseitig. 11 Steinkohlekraftwerksblöcke erhielten den Zuschlag, zu Stilllegungsprämien zwischen 6000 und 150.000 Euro/MW. Der gewichtete Durchschnitt lag mit 66.000 Euro nicht einmal halb so hoch wie die Obergrenze. Insgesamt zahlt der Staat den Betreibern 317 Millionen Euro an Stilllegungsprämie.

Unter den nun stillzulegenden Kraftwerken befinden sich auch die Blöcke A und B des Heizkraftwerks Hamburg-Moorburg, die drei Milliarden Euro gekostet hatten und erst 2015 nach heftigem politischen und juristischem Streit ans Netz gegangen waren. Auch Betreiber Vattenfall will offenbar so schnell wie möglich raus aus der Kohleverstromung. Konkrete Pläne für eine Nachnutzung der beiden Kraftwerksblöcke hat er jedenfalls nicht. (grh)