Kommentar: Verkehrswende in Trippelschritten

Das reformierte Personenbeförderungsgesetz definiert zwar zwei neue Verkehrsarten, geht aber ein altes Problem nicht an.

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Zukunft der Mobilität

Ein Elektro-Sammeltaxi der VW-Tochter Moia und ein Fahrzeug von Clever Shuttle (l) auf dem New Mobility Day in Hamburg.

(Bild: dpa, Christian Charisius/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.

„So vielen unterschiedlichen Zielen gerecht zu werden, erfordert politischen Mut und einen gesetzgeberischen Kraftakt. Ich bin mal gespannt, wieviel davon das Bundesautoverkehrsministerium aufbringen kann“, hatte ich im März 2019 über die Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) geschrieben.

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 TR-Redakteur. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leichtverständliche, aber falsche Lösungen haben.

Heute, fast zwei Jahre später, zeigt sich: Ziemlich wenig Mut. Am 16. Dezember hat das Bundeskabinett nach langem Hin und Her endlich einen Reformvorschlag für das PBefG vorgelegt. Doch beim Versuch, die Interessen von Taxigewerbe, Kommunen, ÖPNV, Fahrgästen sowie neuen Mobilitätsdienstleistern wie Uber, CleverShuttle, Door2Door oder Moia gerecht zu werden, hat das federführende Verkehrsministerium einen bürokratische Bremsklotz mit eingebauten Bremsfallschirmen geschaffen. Statt ein „Level Playing Field“ für die verschiedenen Mobilitätsdienste zu schaffen, unterteilt das BMVI das große Spielfeld nun einfach in mehrere kleine, auf denen zwar prinzipiell das gleiche Spiel gespielt wird, aber nach unterschiedlichen Spielregeln.

So definiert das PBefG nun eine „neue Form des Linienverkehrs innerhalb des ÖPNV (Linienbedarfsverkehr)“ sowie eine „neue Form des Gelegenheitsverkehrs außerhalb des ÖPNV (gebündelter Bedarfsverkehr)“, für die jeweils eigene Regularien gelten. Ersteres bezeichnet eine Art Rufbus ohne feste Linie zu Bedingungen und Tarifen des öffentlichen Nahverkehrs, letzteres privates Ride-Pooling – allerdings an einer sehr kurzen Leine:

„Der Unternehmer darf die Aufträge ausschließlich auf vorherige Bestellung ausführen. Die Genehmigungsbehörde kann die Beförderung von Personen im gebündelten Bedarfsverkehr zeitlich oder räumlich beschränken, soweit öffentliche Verkehrsinteressen dies erfordern. (…) Im gebündelten Bedarfsverkehr dürfen Personen nur innerhalb der Gemeinde befördert werden, in der der Unternehmer seinen Betriebssitz hat. (…) Im Stadt- und im Vorortverkehr ist von der Genehmigungsbehörde im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger eine Quote für den Anteil an gebündelten Beförderungsaufträgen festzulegen, der in einem bestimmten Zeitraum innerhalb des Gebietes zu erreichen ist, in dem der Verkehr durchgeführt wird (Bündelungsquote).“

All dies ist erkennbar gegen große Plattformen wie Uber gerichtet. Prinzipiell ist es schon in Ordnung, den Kommunen einen größeren Einfluss darüber zu verschaffen, wer auf ihrem Gebiet welche Leistungen anbietet – schon allein, um unnötigen Autoverkehr und eine Kannibalisierung der Öffis zu vermeiden. Aber mit diesem engen Korsett bis hin zu einer verbindlich vorgegeben Poolingquote? Welches junge Unternehmen will sich das noch antun?

Ein weiterer springender Punkt geht die Reform nur halbherzig an – die „Rückkehrpflicht“. Sogenannte „Mietwagen“ (im Grunde alle Chauffeurdienste, die keine Taxis sind) müssen weiterhin nach jeder Fahrt zurück zu ihrer Zentrale fahren. Dass dieser ökologische und wirtschaftliche Unfug auf Druck der Taxilobby weiterhin im Gesetz stehen würde, hatte sich schon länger abgezeichnet. Immerhin dürfen Behörden nun in „Gemeinden mit großer Flächenausdehnung“ Ausnahmen machen und weitere Abstellorte zulassen. Sie müssen aber mindestens 15 Kilometer von der Zentrale entfernt sein. Wieder eine bürokratische Mikroregulierung mehr.

Ein paar positive Sachen sollen hier aber auch nicht verschwiegen werden: Alle Dienste müssen ihre Mobilitätsdaten bereitstellen, damit Kommunen evaluieren können, was gut funktioniert und was nicht. Und die strengen Tarifregeln für Taxis werden gelockert. Behörden können nun einen „Tarifkorridor“ mit Mindest- und Höchstpreise oder feste Tarife für häufig frequentierte Strecken festlegen.

Der Entwurf geht nun ins parlamentarische Verfahren und soll nach Willen des BMVI noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden.

(grh)