Otto Group: Innenstädte müssen neu gedacht werden

Die Verödung der Innenstädte hält seit Jahren an. Die Otto Group – Deutschlands zweitgrößter Online-Händler – mahnt neue Ansätze in der Stadtplanung an.

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(Bild: 1take1shot/Shutterstock.com)

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Die Otto Group setzt in den Innenstädten auf grundsätzliche strukturelle Veränderungen. "Innenstädte werden keine Orte bleiben können, wo man vor allem einkaufen kann", erklärte Multichannel-Distanzhandel-Vorstand Marcus Ackermann der Deutschen Presse-Agentur. Nötig seien neue Ansätze in der Stadtplanung, um zum Beispiel mehr Wohnraum, Kinos, mehr Kulturangebote und mehr Restaurants anzusiedeln.

Der Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns und Hamburger Ehrenbürger Michael Otto habe zuletzt von einer italienischen Piazza gesprochen. "Ich glaube, das ist ein schönes Bild, weil es eigentlich das ist, was wir alle toll finden. Da trifft man Menschen, redet, trinkt Cappuccino."

"Warenhäuser werden es immer schwerer haben, es wird auch mehr Druck auf kleinere Unternehmen geben", sagte Ackermann. Für die Zukunft von Städten sei das bedauerlich, "weil das, was wir uns alle wünschen, eben interessante, spannende Innenstädte sind, wo man etwas erleben kann und es eben nicht überall gleich aussieht". Doch die Stärke von Warenhäusern, an einem Ort ein großes Sortiment anzubieten, hätten diese eben nicht mehr allein. Das könnten Online-Händler genauso. "Ich käme schon lange nicht mehr auf die Idee, in die Stadt zu fahren, um mir beispielsweise einen Kochlöffel zu kaufen."

Das erledige er in maximal 30 Sekunden über das Handy. "Ich muss ja heutzutage nicht mal mehr meinen Computer hochfahren, mich hinsetzen und irgendwelche komplizierten Sachen machen." Für reine Bedarfskäufe sei der Online-Handel stationären Warenhäusern weit überlegen, meint Ackermann. Für die Geschäfte in den Innenstädten komme es daher darauf an, den Kunden nicht nur Ware, sondern auch Unterhaltung zu bieten.

Bessere Chancen hätten noch Textilgeschäfte, da Kunden die Kleidung vor einem Kauf nach wie vor gerne anfassen und anprobieren, sowie Anbieter teurer Elektronik wie Fernseher oder Computer.

Ackermann zeigte sich überzeugt, dass die leerstehenden Kaufhäuser in Hamburg, "die da für das ganze Entree eine große Bedeutung haben", nicht von einem einzigen großen Ladenmieter übernommen werden. Er gehe vielmehr davon aus, dass die oberen Etagen der Gebäude anders genutzt werden "und dort wahrscheinlich kein Einzelhandel mehr stattfindet".

Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hatte Mitte Oktober in der Mönckebergstraße gleich zwei große Kaufhäuser geschlossen und damit am Eingang der Einkaufsmeile in Hamburg große Lücken hinterlassen. Nach wie vor sei unklar, wie die nun leerstehenden riesigen Verkaufsflächen genutzt werden sollen. Hinzu kommt, dass etwa der Handelsverband Nord wegen der Corona-Pandemie mit weiteren Geschäftsschließungen rechne.

Die Otto Group gehört, wie auch andere große Online-Händler, zu den Krisengewinnern des Jahres 2020. Das Unternehmen kann voraussichtlich auf einen zweistelligen Umsatzzuwachs zurückblicken. Allerdings ist der Otto Group bewusst, dass kurzzeitige Effekte zu diesem Ergebnis beigetragen haben und etwa Rezession, mehr Arbeitslosigkeit oder auch wieder mehr Reisemöglichkeiten zukünftige Umsätze schmälern könnten.

Immer wieder gibt es Ideen, um mit zunehmenden Leerständen in Innenstädten umzugehen. Diese könnten zu Wohnraum, städtischen Begegnungsstätten, Ärztehäusern oder auch Coworking-Spaces umgestaltet werden. Durch eine zunehmende Verlagerung von Bürotätigkeiten ins Homeoffice durch die Coronavirus-Pandemie denken Unternehmen mit großen Büroflächen auch darüber nach, Teile ihrer Immobilien neuen Zwecken zukommen zu lassen, da der Homeoffice-Trend Einsparmöglichkeiten bietet und sich nach Prognosen nicht mehr komplett zurückentwickeln wird. Forscher des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gehen etwa davon aus, dass durch den Trend zum Homeoffice statt Büro zukünftig weniger Büroflächen nachgefragt werden.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) befürwortete noch im Sommer – nach dem ersten Coronavirus-Lockdown im Frühjahr – eine vermehrte Digitalisierung kleiner Läden in den Innenstädten, mahnte aber auch "Konzepte zur Wiederbelebung der Innenstädte" an. Dabei setzte er vor allem auf Digitalisierung, um Einzelhändler zu stärken und das Shoppen und Verweilen für Kunden in den Stadtzentren attraktiver zu machen. Auch regte er an, unter Einsatz von digitalen Angeboten neue Stadtteilkonzepte zu entwickeln, die beispielsweise an Wochenenden dazu führen könnten, dass die Stadt von den Menschen mehr als "Erlebnisraum" wahrgenommen werde.

Unter dem Einfluss erneuter Lockdowns im Herbst und Winter, hatte zuletzt eine Initiative der CDU für Unruhe gesorgt, die eine "Paketabgabe" für Online-Händler ins Spiel brachte. Diese sollte dafür genutzt werden, dem stationären Handel unter die Arme zu greifen. Die Vorschläge wurden unter anderem vom Handelsverband Deutschland abgelehnt, weil er Vertriebskanäle gegeneinander ausspiele. Die Zukunft des Handels liege laut HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in der Kombination aus online und stationär vor Ort, erklärte er gegenüber der dpa. Gäbe es eine Paketabgabe, schwäche man auch die Händler, die sich bereits ein Online-Standbein aufgebaut haben.

Grünen-Chef Robert Habeck aus der Opposition machte sich im Zuge dieser Debatte erneut für eine Digitalsteuer stark. Dadurch würde die Ungleichbehandlung von stationärem Handel und Online-Handel gemildert. Denn die Infrastruktur, die auch Online-Händler mitnutzen, werde von diesen bisher kaum mitbezahlt.

(kbe)