Kommentar zum Sturm aufs Capitol: Schluss mit Twitter, Facebook & Co.

Trump zieht die US-Demokratie mit in seinen Abgrund. Twitter und Facebook haben ihm jahrelang geholfen. Damit muss Schluss sein, meint Andreas Wilkens.

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Wirrköpfe im Capitol. Der Mann mit den Hörnern ist Jake Angeli von QAnon.

(Bild: Manuel Balce Ceneta/AP/dpa)

Lesezeit: 4 Min.

Der Krieg gegen die Demokratie, der auf Twitter, Facebook und Youtube längst geführt wird, hat vergangene Nacht am Capitol zu Washington D.C. endgültig auf das reale Leben übergegriffen. Vom US-Präsidenten selbst mobilisiert sind tausende Menschen am Mittwoch zum Sitz des US-Parlaments gezogen, einige von ihnen sind in das Gebäude eingedrungen. Das alles auf Basis völlig haltloser Behauptungen, die Wahlen zur US-Präsidentschaft seien massiv von den Demokraten manipuliert worden. Millionen Menschen in den USA käuen Trumps Wirrheiten nach und befürchten, mit dem künftigen Präsidenten Joe Biden werde in ihrem Land der Sozialismus ausbrechen.

Andreas Wilkens

kommt aus den Kulturwissenschaften, wurde frühzeitig in seinem Studium mit Computern konfrontiert – als Arbeitsmittel und Verdienstmöglichkeit. Er kümmert sich im Newsroom von heise online um die Nachrichten aus der IT-Welt.

Wo wurden diese Menschen so grundlegend desinformiert, wo konnten sie in solchen Massen mobilisiert werden? Heute sind es nicht mehr die Stammtische und Hinterzimmer, an und in denen hauptsächlich Männer ihre destruktiven Ansichten ausbrüten, es sind auch nicht mehr allein Radiogeräte und Fernseher, über die Demagogen ihre menschenfeindlichen Botschaften versenden. Heute kann jeder Mensch seine noch so kruden Ansichten millionenfach verbreiten, vor allem auf Plattformen, deren Betreiber ihren Sitz in einem Land haben, das die Meinungsfreiheit derart massiv verteidigt, dass Menschen ungestraft mit Hakenkreuzen durch die Straßen laufen können. Ein Recht, auf das es ebenso beharrt wie das Recht auf Waffenbesitz.

Zu den Ereignissen in den USA:

Diese Meinungsfreiheit ist in den USA mit einem Mann an ihrer Spitze an ihre Grenzen gestoßen, dessen Popularität auf substanzlosen Lügen fußt und der Kraft seiner Macht das Land tief gespalten hat. Das haben auch Twitter und später selbst Facebook-Chef Mark Zuckerberg im Verlauf des Wahlkampfs in den USA in den vergangenen Monaten gemerkt. Zuckerberg hatte sich zunächst geweigert, irreführende Äußerungen des Präsidenten zu berichtigen, vergangene Nacht schließlich haben Twitter und Facebook sogar Trumps Botschaften gesperrt. Twitter droht auch, den Präsidenten ganz auszuschließen, sollte er drei inkriminierte Tweets nicht selbst löschen.

"Facebook sollte nicht der Wahrheitsschiedsrichter sein über alles, was die Leute online sagen", hatte Zuckerberg voriges Jahr im Mai gesagt. Nun ist er es doch geworden. Damit ist eine entscheidende Wendung eingetreten, die in die Frage mündet: Dürfen wir die Entscheidung darüber, was der Demokratie, der Gesellschaft, den Menschen im Gesamten schadet, profitorientierten Privatunternehmen überlassen? Ich meine: nein.

Zu einem Lockdown gegen Fake News und damit gegen Twitter, Facebook und Youtube, wie ich ihn im März vorigen Jahres gefordert hatte, ist es nicht gekommen. So konnten Verschwörungsmystiker ihre Thesen weiter ungehindert verbreiten, was letztlich dazu führte, dass sich auf deutschen Plätzen tausende Menschen maskenlos eng beieinander stehend versammelt haben. Das ist schon irre und gefährlich, mit Trump hat die Eskalation der Unvernunft aber eine weitere Stufe erklommen. Wer die Ereignisse am Capitol verfolgte, wird im Hinterkopf gehabt haben, dass jederzeit Schüsse fallen könnten.

Theodor W. Adorno brachte schon 1967 in seinem Vortrag "Aspekte des neuen Rechtsradikalismus" auf den Punkt, was Trump nun bewegen könnte: "Wer nichts vor sich sieht und wer die Veränderung der gesellschaftlichen Basis nicht will, dem bleibt eigentlich gar nichts anderes übrig, als wie der Richard-Wagnersche Wotan zu sagen: 'Weißt Du, was Wotan will? Das Ende' –, der will aus seiner eigenen sozialen Situation heraus den Untergang, nur eben dann nicht den Untergang der eigenen Gruppe, sondern wenn möglich den Untergang des Ganzen."

In diese Richtung gingen vergangene Nacht meine Gedanken. Trump mit seiner Lebenserwartung von vielleicht noch fünf Jahren zieht die US-amerikanische Demokratie mit in seinen Abgrund – und das monate-, jahrelang unterstützt von den sozialen Medien seines Landes. Adorno zog damals aus seinen Ausführungen diesen Schluss, wobei ich an Stelle des Rechtsradikalismus, den Adorno meint, Trump setze:

"Aber das sachlich Falsche, Unwahre seiner eigenen Substanz zwingt ihn, mit ideologischen, das heißt in diesem Fall mit propagandistischen Mitteln zu operieren. Und deshalb muß man ihm, abgesehen vom politischen Kampf mit rein politischen Mitteln, in seiner eigensten Domäne sich stellen. Aber nun nicht Lüge gegen Lüge setzen, nicht versuchen, genauso schlau zu sein wie er, sondern nun wirklich mit einer durchschlagenden Kraft der Vernunft, mit der wirklich unideologischen Wahrheit dem entgegenarbeiten."

Wenn das nicht hilft, müssen wir Facebook, Youtube und Twitter abschalten.

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(anw)