Amazon plant Überwachungskameras für seine Lieferwagen - zur Sicherheit

Die KI-unterstützten Kameras im Führerhaus sollen Menschen und Zustellungen sicherer machen. Die Überwachung beginnt beim Drehen des Zündschlüssels.

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Netradyne Driveri im Amazon-Lieferfahrzeug

Netradyne Driveri im Amazon-Lieferwagen

(Bild: Amazon bei Vimeo)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Frank Schräer
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Amazon hat in Nordamerika begonnen, seine Zustellfahrzeuge mit modernen Kamerasystemen auszustatten. Diese KI-unterstützten Kameras im Führerhaus filmen ständig in alle vier Richtungen und warnen den Fahrer in bestimmten Situationen, die potenziell gefährlich werden könnten. Die Zusteller fürchten eine invasive Überwachung.

Das Kamerasystem kommt von der kalifornischen Firma Netradyne. "Driveri" verwendet vier HD-Objektive, die alle vier Seiten filmen. Software mit Unterstützung von Methoden künstlicher Intelligenz erkennt potenzielle Gefahrensituationen. Sie warnt den Zusteller per Stimme, wenn dieser zu schnell fährt, nicht an einem Stopp-Schild hält, der Abstand zu anderen Fahrzeugen zu gering ist oder wenn der Fahrer abgelenkt scheint, zum Beispiel beim Griff zum Smartphone während der Fahrt.

Laut Amazon wird kein Audio aufgezeichnet und die Aufnahmen werden nicht live übertragen. Stattdessen lädt Netradyne Driveri Videos erst automatisch hoch, wenn die oben genannten Signale ausgelöst und andere Fälle wie Vollbremsung oder scharfe Wendungen durchgeführt werden. Der Fahrer kann den Upload auch selbst auslösen, wenn sich zum Beispiel jemand dem Fahrzeug nähert oder wenn dokumentiert werden soll, dass die Lieferadresse nicht erreichbar ist. Außerdem sollen nur besonders autorisierte Personen Zugriff auf die Aufzeichnungen bekommen.

Amazon beruft sich auf unabhängige Studien als Grund für die Installation der Kamerasysteme. Demnach reduzieren sich Unfälle um ein Drittel, wenn die Fahrzeuge mit internen Warnsystemen ausgestattet sind. Darüber hinaus reduzieren sich Unfälle um nochmals ein Drittel, da sich das Fahrverhalten verbessert durch die Überwachung. Dies dürfte auch die Begründung für Überwachungssysteme für kommerzielle Chauffeure sein, die in den USA seit Jahren erfolgreich vermarktet werden.

Amazon nennt in einem nicht öffentlich gelisteten, aber verfügbarem Marketing-Video zur Einführung von Netradyne Driveri auch Situationen, in denen die Kameraaufzeichnungen die Unschuld des Fahrers an einem Unfall belegen. Trotzdem zeigen sich Fahrer für den Versandhändler besorgt, wie The Information aus entsprechenden Gesprächen erfahren hat. Sie bezeichnen die Netradyne-Kamera als unfaire und invasive Überwachung. Dies würde den Druck auf die Zusteller weiter erhöhen, die ohnehin schon unter Zeitmangel und strengen Lieferterminen leiden.

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Amazon betont, dass der Fahrer die Kamera auch abschalten kann, wenn eine Pause eingelegt und der Motor abgestellt wird. Die Kamera läuft aber auch bei abgestelltem Fahrzeug weiter, um zum Beispiel einen Zustellversuch zu dokumentieren. Dann können Amazon und der Fahrer belegen, dass das Paket ordnungsgemäß zugestellt wurde. Selbst wenn sich der Kunde beschweren sollte über eine fehlende Sendung.

Es ist noch unklar, in welchem Umfang Amazon die Kamerasysteme in ihre Fahrzeuge einsetzen wird. Der Versandhändler erklärte auf Anfrage von The Verge, dass Amazon in die Sicherheit seiner Geschäftstätigkeiten investiert und kürzlich begonnen hat, eine Branchen-führende, Kamera-basierte Sicherheitstechnik in seine Lieferflotte einzubauen. Da Amazon in diesem Zusammenhang von Echtzeitwarnungen für den Zusteller und erhöhter Fahrsicherheit spricht, dürfte es sich um das Netradyne-System handeln.

Amazon hat sich in der Vergangenheit überwiegend auf klassische Versandunternehmen wie DHL verlassen, baut aber vor allem in Nordamerika seine eigenen Lieferdienste weiter aus. Dies steht allerdings auch in der Kritik. Amazon muss zum Beispiel nach einem Vergleich 62 Millionen US-Dollar an Teilnehmer seines Lieferdienstes "Flex" zahlen, weil zuvor Trinkgeld an Fahrer unterschlagen wurde. Ende letzten Jahres berichtete Telepolis, dass Amazon Spitzel gegen Beschäftigte in Europa einsetzen soll.

(fds)