Corona-Pandemie: "Datenschutz darf dem Virus nicht zum Opfer fallen"
Die Datenschutzbeauftragten von Berlin und Rheinland-Pfalz weisen Attacken auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht zurĂĽck und loben die Corona-App.
(Bild: View Apart / Shutterstock.com)
Sie können die alte Leier nicht mehr hören. Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk und ihr rheinland-pfälzischer Kollege Dieter Kugelmann fordern ein Ende der während der Corona-Pandemie verstärkt erfolgenden "Attacken" auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Immer wieder ertöne das Lied, dass Datenschutz Täterschutz sei, Menschenleben gefährde sowie Digitalisierung und Innovation bremse. Die beiden Datenschützer halten dagegen: "Nichts davon ist richtig."
Datenschutz ist nicht das Problem
Der "reflexartige Schuldverweis" sei nichts weiter "als der wohlfeile Versuch, für komplexe Probleme eine einfache Lösung zu finden", schreiben Smoltczyk und Kugelmann in einem offenen Brief. Trotzdem vergehe aktuell "kein Tag, an dem nicht behauptet wird, dass die Pandemie leicht in den Griff zu bekommen sei, wenn wir nur den Datenschutz zurechtstutzen würden".
Videos by heise
Aus der Corona-Warn-App (CWA) sei "technisch viel mehr herauszuholen, als wir das derzeit tun, aber dafür braucht es den politischen Willen", erklärte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, am Mittwoch anlässlich der Publikation eines Positionspapiers des parteinahen Vereins. "Menschenschutz muss vor Datenschutz stehen." Die Politik sollte "eine automatische Übermittlung der Testergebnisse über eine schnelle App-Anbindung der Labore möglich machen". Über die CWA müsse die Regierung auch den Standort der Nutzer erfassen.
Problematisiert werde in solchen Appellen nicht, "dass die Gesundheitsämter noch immer nicht alle an die digitale Infrastruktur angeschlossen sind", halten die Datenschützer dagegen. Dies wäre die Voraussetzung dafür, dass die Corona-App "einen wirklichen Mehrwert" für die Behörden haben könne. Bisher seien diese "mit den Daten von Corona-Kontaktlisten bereits überfordert". Die die CWA sei mehr als 25 Millionen Mal heruntergeladen worden und habe "nur deshalb eine so hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden, weil die Menschen sich darauf verlassen können, dass ihre Daten nicht zu unvorhersehbaren Zwecken missbraucht werden".
Einen geschĂĽtzten Raum schaffen
Der Datenschutz mache auch nicht das Internet kaputt, betonen Smoltczyk und Kugelmann. Vielmehr versuchten die Aufsichtsbehörden, "die im Laufe der Geschichte mühsam erkämpften Grundrechte der Menschen auch in einer Zeit allumfassender Digitalisierung in die Zukunft zu retten". Das uferlose Sammeln persönlicher Daten, Tracking und Data Mining seien an der Tagesordnung. Dabei mache es den Eindruck, als dienten die Profile der Nutzer "den Investoren und Unternehmen". Hier müssten die "Errungenschaften der Digitalisierung" und die Grundrechte als Basis "unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft" näher zusammengebracht werden.
Wenn die Datenschützer darauf drängten, dass die Digitalisierung der Schulen datenschutzgerecht erfolgen müsse, diene dies "einer nachhaltigen Entwicklung". Es gehe darum, Schülern und Lehrkräften "einen geschützten Raum zu verschaffen". Leider biete kaum ein kommerzieller Softwarehersteller datenschutzgerechte Lösungen an. Viele US-Firmen behielten es sich vor, "die Daten von Kindern für eigene, meist kommerzielle, Zwecke zu verarbeiten". Behörden wiederum seien meist nicht in der Lage, akzeptable Dienste selbst zu schaffen. Oft mangele es auch am Mut, datenschutzkonforme Services in Ausschreibungen einzufordern.
"Der Datenschutz ist kein Supergrundrecht", räumen die Autoren ein. "Genau deshalb wird er gerade in Zeiten der Pandemie dort, wo es nötig ist, immer wieder eingeschränkt – sei es bei der Kontaktdatenerhebung durch Betriebe oder beim Austausch von Daten zwischen Gesundheitsämtern und medizinischen Einrichtungen."
Andererseits dürfe ein angemessener Datenschutz als "wichtiger Steuerungsfaktor" aber auch "dem Virus nicht zum Opfer fallen", unterstreicht das Duo. Menschen ließen sich auf neue Technik eher ein, "wenn sie Vertrauen haben, dass ihre Rechte und Freiheiten gewahrt bleiben". Drohe die Gefahr eines informationellen Kontrollverlusts, zögen sie sich eher ins Private zurück oder machten Falschangaben.
(mho)