Analyse: Altmaier will Erneuerbare mit Steuern finanzieren

Der Bundeswirtschaftsminister plant, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abzuschaffen, um den Strompreis zu senken. Kann das funktionieren?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 62 Kommentare lesen
Peter Altmaier

Bundesminister Peter Altmaier.

(Bild: dpa, Kay Nietfeld/dpa)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Schlagzeile klingt alarmistisch: "Altmaier will EEG-Umlage abschaffen", hießt es am Mittwoch in Medienberichten. Doch Gemach: Der Bundeswirtschaftsminister plant lediglich, ab 2022 in Betrieb gehende Anlagen nicht mehr per EEG-Umlage zu finanzieren, sondern über Steuern; wenn er dann noch im Amt ist.

Ist das eine gute oder schlechte Nachricht? Klopfen wir die Vor- und Nachteile dieser Lösung ab.

Was zunächst auffällt: Das Wirtschaftsministerium verabschiedet sich damit offenbar von der jahrelang mitgeschleppten Doktrin, die Erneuerbaren müssten sich ab einem Tag X selbst auf "dem Markt" behaupten können, was auch immer dieser "Markt" sein mag. An der auf Angebot und Nachfrage basierenden Strombörse jedenfalls werden sich Windparks und Photovoltaik-Anlagen auch künftig kaum refinanzieren können, weil sie sich dort gegenseitig die Preise kaputt machen, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Energieanbieter ohne Grenzkosten können unter den richtigen Umständen zwar längst günstiger produzieren als fossile Kraftwerke, sie müssen aber anders finanziert werden. Steuern wären da zumindest eine diskutable Möglichkeit.

Das führt zur nächsten Frage: die Gerechtigkeit. Beim EEG wird die Finanzierung auf alle Stromverbraucher umgelegt, bei der Steuer auf alle Steuerzahler. Ist das fair?

Geht so. Gegen hohe EEG-Umlagen können sich Verbraucher in einem gewissen Rahmen wehren, indem sie versuchen, weniger zu verbrauchen. Bei Steuern zahlen alle ihren Anteil, unabhängig vom Verbrauch – zumindest, wenn die Abschaffung der Umlage nicht durch direkte Verbrauchssteuern wie eine Erhöhung der Stromsteuer gegenfinanziert wird. Dieses Argument steht und fällt natürlich mit der Art der Gegenfinanzierung. Solange die nicht geklärt ist, kann man nur spekulieren.

Ein weiteres Argument gegen Steuern: Die Kosten werden intransparenter, wenn alles über den Bundeshaushalt fließt. Stromkunden sehen die EEG-Umlage zwar nicht mehr auf ihrer Stromrechnung, aber zahlen werden sie (indirekt) weiter. Und es herrscht weniger Planungssicherheit für Anbieter, wenn die Parteien bei jeder Haushaltsverabschiedung wieder neu über die Zuschüsse entscheiden.

Andererseits: Ist der Kampf gegen den Klimawandel nicht eine gemeinsame Aufgabe der gesamten Gesellschaft – und eine Steuerfinanzierung nicht entsprechend legitim? Und mit der Kostentransparenz war es beim EEG auch nicht so weit her. Schließlich beziffert die Umlage nicht die wahren Kosten der Erneuerbaren, sondern nur die Differenz zum Verkaufserlös an der Strombörse, deren Kurse Wind und Sonne selbst gedrückt haben. Die Verbraucher sahen zwar die EEG-Umlage auf ihrer Stromrechnung, aber nicht, ob und wie sie von gesunkenen Börsenpreisen profitieren.

Ähnliches gilt auch für die Fairness: Gerade Großverbraucher werden oft von der EEG-Umlage befreit, zulasten der anderen Verbraucher. In puncto Gerechtigkeit würde ich deshalb für ein Unentschieden zwischen Umlagen und Steuern plädieren.

Ähnliches gilt auch für die Lenkungswirkung: je teurer der Strom, desto größer der Anreiz zu sparen. Das spräche für die Umlage. Einerseits. Aber günstiger Strom erleichtert auch den Umstieg auf effizientere E-Autos und auf Wärmepumpen. Also auch hier Gleichstand.

Eine Analyse von Gregor Honsel zum EEG

Gregor Honsel ist TR-Redakteur und hält die Reform des EEG für eine Mogelpackung.

Für den Ausbau der Erneuerbaren ist es ohnehin weniger entscheidend, woher die Mittel kommen. Sondern wie sie verteilt werden. Und hier gibt es noch reichlich Handlungsbedarf: Wer den Wechsel von der Umlage- zur Steuerfinanzierung als eine Abkehr von der Markt- zur Planwirtschaft sieht, der möge sich einmal das aktuelle EEG vornehmen: Sämtliche Ausbaupfade sind staatlich festgelegt, für alles und jeden gibt Ausnahmen, Sonderregelungen, Boni und Mali, das ganze Gesetz ist ein Manifest staatlichen Micromanagements.

Eine kleine Kostprobe: Wer seinen Solarstrom selbst verbraucht, muss darauf eigentlich ebenfalls EEG-Umlage zahlen. Außer bei weniger als 30 Kilowatt Leistung und 30 Megawattstunden im Jahr. Und Betreiber von Dachanlagen ab 300 kW dürfen ihren Solarstrom zwar selbst verbrauchen, erhalten dann aber nur 50 Prozent der Vergütung. Es sei denn, sie beteiligen sich an einer Ausschreibung. Dann aber dürfen sie ihren eigenen Strom gar nicht mehr nutzen. Und so weiter, und so fort. Alle marktwirtschaftlichen Ambitionen hat das Bundeswirtschaftsministerium gefühlt schon vor fünf EEG-Novellen beerdigt, da kommt es auf die Steuerfinanzierung nun auch nicht mehr an.

Fazit: Durch eine Steuerfinanzierung würde sich meines Erachtens wenig ändern. Altmaier will sich offenbar gerne als Kämpfer gegen die hohen Strompreise feiern lassen, dabei dürfte seine Reform für die meisten ein Nullsummenspiel sein. Dafür verschleppt er eine Reform der Strombörse. Es ist ohnehin seltsam, dass dieses für fossile Brennstoffe entwickelte Instrument immer noch der Maßstab für den gesamten Strommarkt sein soll – wo längst mindestens die Hälfte des Nettostromverbrauchs durch nicht-fossile Quellen gedeckt wird. Den eigentlichen Hemmschuh geht Altmaier aber nicht an: die für Klimaziele zu niedrigen Ausbaupfade und die vielen Sonderregelungen für Erneuerbare.

Bleibt als letzte Frage noch die nach der Europa-Konformität. Die EU-Kommission reagiert ja notorisch humorlos auf neue Subventionsversuche. Und beim Versuch, ihre schlauen Ideen irgendwie europarechtlich zurechtzudengeln, hat sich die gegenwärtige Koalition nicht immer mit Ruhm bekleckert. Genug zu tun also für Peter Altmaier – oder seinen Nachfolger beziehungsweise seine Nachfolgerin. (grh)