Musikindustrie gerät im Napster-Prozess unter Druck [Update]

Eigentlich tritt die Musikindustrie im Urheberrechtsprozess als Kläger gegen die Tauschbörse auf. Jetzt stehen die Labels selbst im Kreuzfeuer der Kritik.

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Im zähen juristischen Ringen zwischen Napster und den Labels kritisierten die Anwälte der momentan stillgelegten Tauschbörse das Verhalten der Musikindustrie. Demnach behinderten diese mögliche Konkurrenten, indem sie ihre Vormachtstellung bei den Urheberrechten ausnutzten. Als Beispiel führten die Napster-Anwälte vertragliche Details aus der im Juli bekannt gegebenen Zusammenarbeit mit MusicNet an. Die elektronische Distributionsplattform – ein Joint-Venture von Warner Music, EMI, BMG und dem Streamingspezialisten RealNetworks – habe Napster vertraglich untersagt, ähnliche Abkommen mit der konkurrierenden Plattform pressplay der Labels Sony und Universal zu schließen.

Auch Bezirksrichterin Marilyn Patel zeigte sich von den Online-Aktivitäten, die die großen Plattenlabels mit MusicNet und pressplay entfalten, nicht begeistert: "Es wundert mich wirklich, warum sich die Kläger auf diese Art zu einem Joint-Venture zusammengeschlossen haben." Selbst wenn die Dienste die kartellrechtlichen Hürden nähmen, bliebe ein schaler Geschmack: "Es sieht schlecht aus, hört sich schlecht an und riecht schlecht", meinte Patell weiter.

Die Plattenlabels sehen in den Anschuldigungen ein reines Ablenkungsmanöver von Napster: "Hier werden Verträge zitiert, die zwei Jahre nach der Verletzung der Urheberrechte durch Napster geschlossen wurden", so ein Anwalt. Die Anschuldigungen stünden somit in keinem Zusammenhang mit dem eigentlichen Prozessgegenstand. Die Plattenindustrie setzt sich derweil für eine schnelle Beendigung der juristischen Auseinandersetzung durch eine außergerichtliche Einigung ein: Demnach müsste Napster neben den bereits gezahlten Entschädigungen für den illegalen Vertrieb von 213 geschützten Songs 100 US-Dollar für jeden erfolgten Tauschvorgang zahlen.

Inzwischen entschied die US-Richterin am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit San Francisco), dass vor einer endgültigen Gerichtsentscheidung ein unabhängiger Experte die tatsächlichen Eigentumsrechte der zur Diskussion stehenden Musikstücke prüfen solle. In dem Rechtsstreit müsse nun herausgefunden werden, ob die Plattenlabels derzeit noch immer im Besitz des Urheberrechts für mehr als 200 der umstrittenen Musikstücke sind, bestätigten die Anwälte der Musiktauschbörse – eine Atempause für Napster, die die Firma aller Voraussicht nach mit ihrem Partner Bertelsmann nutzen wird, um doch noch den kostenpflichtigen Abo-Dienst zu starten. (sha)