Comdex: eine sichere Sache?
"Wir müssen einfach mutiger sein und zeigen, dass wir keine Hasenfüße sind", meint Steve Ballmer: Etwa die Hälfte der sonst vertretenen Aussteller sagte die Comdex ab.
Die Herbstcomdex 2001 in Las Vegas ist die erste größere Messe in den USA, die es wagte, nach "911" an den Start zu gehen. Ein mutiger Schritt: Etwa die Hälfte der sonst vertretenen Aussteller sagte ab, entweder aus finanziellen Gründen oder auf Grund von Sicherheitsbedenken. Unter den bekannten Namen derer, die doch gekommen sind, finden sich einige, die ihr Engagement auf das Nötigste reduziert haben. Die riesige Standfläche, auf der einst IBM residierte, wird von ein paar Tischen gehalten, an denen IBMs "Business Partner" tapfer ihre Lösungen vorstellen.
Flächenmäßig ist die Comdex auf das Niveau der Jahre 88 bis 90 geschrumpft. Nur das aberwitzige Bus-Transportsystem erinnert an die alte Comdex. In den einstmals gedrängt vollen Hallen gibt es überall Flächen, die zum Ausruhen einladen. Hier hatten Firmen erst im letzten Moment abgesagt. Den zweitgrößten Messestand nach Microsoft hatte Newcomer NTT DoCoMo, die den Amerikanern i-Mode schmackhaft machen will; der verlassenste Messestand ist der von Dubai ... Der trostloseste Stand dagegen ist ganz im Unterschied zum Vorjahr die Linux Hatchery: Lauter leere Boxen und Maddog Hall in der Auskunftsbox.
An anderen Stellen herrscht reger Betrieb: Taiwanische und koreanische Firmen, die Lüfter oder Gehäuse vertreiben, haben sich auf den frei gewordenen Flächen angesiedelt und erinnern damit an die alten Zeiten Ende der 80er. Früher kauften Händler auf der Computer Dealers Exhibition Einzelteile, hier 400 Netzteile, dort 300 Festplatten. Zu Hause wurde das Zeug zusammengeschraubt und dem Kunden als On-Demand-System des Hauses verkauft, ein Geschäft, das heutzutage Dell perfektioniert hat. Ja, diese Firma ist in Las Vegas, hat aber nur große Suiten in einem Hotel angemietet. Was bei Dell Prinzip ist, ist für andere die Lösung des Sicherheitsproblems. 60 bis 80 Firmen zeigen ihre Neuigkeiten in Suiten in den großen Hotels rings um die Messe. Gegen mögliche Terrorangriffe bilden sie so ein verteiltes System, für die Journalisten ist das Hotel-Hopping ein Albtraum.
Key3Media, der Veranstalter der Comdex, hat eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, die bei Licht betrachtet symbolischer Natur sind. Normale Messegänger dürfen nur ohne Taschen auf die Messe und müssen durch Metall-Detektoren, wie sie am Flughafen stehen. Wir Presseleute sowie Behinderte dürfen mit vollem Gepäck oder Motor-Rollstuhl rein, die nur oberflächlich angeschaut werden. Vor den Eingängen zu den Keynotes stehen Schutztruppen mit Hunden, die im Gepäck schnüffeln. Einige Hunde sind eigentlich für die Drogensuche ausgebildet, ihr Auftreten beruhigt aber.
Die sich ständig aufstauenden Besucher ertragen die Prozeduren mit großer Gelassenheit. Steve Ballmer findet sie überflüssig. Ich treffe ihn an einer Imbissbude, wo er sich einen Hamburger und Wasser kauft. Während Larry Ellison ständig von drei Bodyguards umgeben ist, bewegt sich Ballmer wie jeder Besucher durch die Messe, wird kaum beachtet und futtert am Tisch mit vielen anderen das fast ungenießbare Essen: "Die Sicherheit soll die Besucher beruhigen, sonst taugt sie nichts und ist eine große Zeitverschwendung. Wer die Messe angreifen möchte, hätte beim Standaufbau freie Fahrt gehabt. Da wurde gar nichts kontrolliert. Wir müssen einfach mutiger sein und zeigen, dass wir keine Hasenfüße sind." Ballmer verweist kauend darauf, dass Microsoft keine Abstriche bei seinem Riesenstand gemacht hat und viele Firmen froh darüber sind: "Viele, die früher einen eigenen großen Stand hatten, sitzen bei uns in diesen Applikationsstraßen. Und sie sind froh, dass sie gekommen sind."
In der Tat: Ausnahmslos alle Aussteller sind über die Qualität der Kontakte erbaut. Die Besucher, die trotz allem nach Las Vegas gekommen sind, wollen sich wirklich informieren. "Hier gibt es kaum Leute, die auf Werbegeschenke aus sind. Das Interesse an den Produkten ist groß, die Leute haben sich vorbereitet und die Stimmung ist gut. Überhaupt nicht mit der Systems zu vergleichen, die noch unter Schock stattfand", erzählt Martin Ditscherlein, Siemens-Manager in der Sparte Biometrie. Als Neuheit zeigt Siemens sein Fingerabdruck-System ID Mouse in Verbindung mit einer Chipkarte, auf der der Fingerabdruck gespeichert ist. Die Personenkontrolle findet ausschließlich zwischen Mausleser und Karte statt, ohne Datenbank im Hintergrund. "Unser System sammelt keine Daten, das kommt hier in der Diskussion um einen nationalen Ausweis extrem gut an." (Detlef Borchers) / (jk)