Staatstrojaner für Bundespolizei: Massive verfassungsrechtliche Einwände​

Der Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber und Juristen warnen vor der geplanten maßlosen Reform des Bundespolizeigesetzes, die in Karlsruhe scheitern dürfte.

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(Bild: mahc/Shutterstock.com)

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Experten sind besorgt, dass die Große Koalition mit ihrem Entwurf zur Novelle der Rechtsgrundlagen der Bundespolizei deren Befugnisse völlig überdehnen und ungerechtfertigte Eingriffe in die Rechte von Bürgern und Unternehmen legitimieren will. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber etwa hält die geplante Reform an mehreren Punkten für verfassungsrechtlich bedenklich: Die Kompetenzen der Bundespolizei würden deutlich erweitert und an die des Bundeskriminalamts (BKA) angeglichen.

Künftig soll die Bundespolizei präventiv die Telekommunikation der Bürger überwachen dürfen, moniert der Datenschutzbeauftragte in einer jetzt veröffentlichten Stellungnahme. Das betreffe auch Fälle ohne konkreten Anfangsverdacht. Hier wäre die Schwelle angesichts der Tiefe eines solchen Grundrechtseingriffs viel zu niedrig angesetzt.

Kelber kritisiert darüber hinaus die geplanten Regeln für den Einsatz eines "Bundestrojaners" durch die Bundespolizei. Der Behörde solle eine "Quellen-TKÜ" ermöglicht werden, mit der etwa Smartphones und Laptops ausgespäht sowie verschlüsselte Messenger-Dienste abgehört werden können. So könnten Ermittler auch Zugangsdaten für Online-Dienste und damit Zugriff auf E-Mail-Postfächer und Cloudspeicher erhalten.

Die geplante "Erweiterung der Quellen-TKÜ" auf heimliche Online-Durchsuchungen hält Kelber für "verfassungsrechtlich höchst problematisch", weil sie einen Datenzugriff schon anhand rein spekulativer Überlegungen zulasse. Da sich die Vorschrift nicht ausreichend am IT-Grundrecht orientiere, sollte sie gestrichen werden. Grundsätzlich problematisch findet der Datenschützer, dass für Staatstrojaner gezielt Sicherheitslücken ausgenutzt werden müssten. Das senke das allgemeine Sicherheitsniveau.

Zwar sei eine Rechtsgrundlage für den Versand "stiller SMS" vorgesehen, kritisiert Kelber weiter, aber eine korrespondierende, ausdrückliche Erlaubnis zum Erheben der dadurch erzeugten Standortdaten fehle. Die EU-Vorgaben zu den wesentlichen Aufsichtsbefugnissen der Datenschutzbehörden würden dagegen nur ansatzweise umgesetzt. Dies sei besonders problematisch, da an anderer Stelle die bisher vorgesehene "datenschutzrechtliche Vorabprüfung" ersatzlos gestrichen worden sei. Hier drohe ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission.

In einer Anhörung zu dem Vorhaben am Montag im Bundestag brachte auch der Berliner Rechtsprofessor Clemens Arzt verfassungsrechtliche Einwände vor: die "sonderpolizeiliche Rolle" der Bundespolizei, die das Bundesverfassungsgericht 1998 in einem Urteil festgeschrieben habe, werde weiter ausgehöhlt. Besonders kritisch bewertete der Jurist die geplante Ermächtigung, sämtliche Daten selbst mit Drittländern zu teilen, deren Rechtsstaatlichkeit infrage stehe.

"Staatliches Hacking, egal durch welche Rechtsgrundlage, bleibt eine Gefährdung aller", betonte Klaus Landefeld vom eco-Verband der Internetwirtschaft. Der Staatstrojaner sei ein Schaden für IT-Systeme und eine Bedrohung der Sicherheit von Bürgern, Unternehmen und Behörden. Landefeld ordnete den Entwurf in eine Reihe gleichartiger aktueller Gesetzesinitiativen ein, die alle eine "Vielzahl neuer Überwachungsmaßnahmen" enthielten. Der Gesetzgeber lasse hier jedes Maß zwischen Bedürfnissen der Sicherheitsbehörden und Rechten Betroffener vermissen.

Für den Deutschen Anwaltsverein (DAV) beklagte die Bremer Strafrechtsexpertin Lea Voigt die Tendenz, polizeiliche Instrumente "erheblich auszuweiten". Es dürfe "keinen umfassenden Zugriff auf die Bürger" geben. Bundespolizeipräsident Dieter Romann begrüßte den Entwurf dagegen als Signal "parlamentarischer Wertschätzung". Die Novelle sei überfällig. (vbr)