Bundestag genehmigt Einsatz von Staatstrojanern bei Kindesmissbrauch

Bei schwerer sexualisierter Gewalt gegen Kinder dürfen Ermittler künftig Online-Durchsuchungen vornehmen. Der Besitz von kindlichen Sexpuppen wird strafbar.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 118 Kommentare lesen

(Bild: Olha Solodenko/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Bundestag hat am Donnerstag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD den Entwurf für ein Gesetz "zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder" verabschiedet. Damit werden die Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern neu bezeichnet, deutlich verschärft und durchweg kriminalisiert. Strafverfolger können so künftig bei sämtlichen Formen der schweren sexualisierten Gewalt gegen Kinder sowie der Verbreitung einschlägiger Missbrauchsdarstellungen IT-Systeme mit dem Staatstrojaner ausspähen. FDP, die Linke und die Grünen enthielten sich.

Mit der Initiative nimmt der Gesetzgeber alle Fälle schweren sexuellen Kindesmissbrauchs und des Austauschs entsprechender Bilder und Videos in den Katalog der Straftaten auf, der heimliche Online-Durchsuchungen erlaubt. Mit Blick auf das hier auszumachende "besonders schwere Tatunrecht" erscheine es sachgerecht, das Instrumentarium der Ermittler zu erweitern.

Das Verbreiten "kinderpornographischer Schriften" fällt künftig unter den Katalog, auch wenn Täter nicht gewerbs- oder bandenmäßig vorgehen. Dies sei erforderlich "vor dem Hintergrund der technischen Entwicklung, insbesondere der Anonymität des Internets, des Ausweichens ins sogenannte Darknet sowie der einfachen Möglichkeit des vielfachen Kopierens und der schnellen Weitergabe entsprechenden Materials durch immer bessere Internetverbindungen und hohe Speicherkapazitäten".

Mit gängigen Mitteln wie Abhörmaßnahmen dürfen Ermittler die Telekommunikation zudem künftig auch überwachen, wenn sich Täter Missbrauchsdarstellungen beschaffen oder sie besitzen. Das Abfragen von Verbindungs- und Standortdaten erleichtert der Bundestag parallel.

Schon der Versuch, allgemeine pornographische Inhalte vorzuzeigen, wird strafbar in Fällen, in denen der Täter irrig annimmt, mit einem Kind zu kommunizieren. Wie bei der vergleichbaren Regel im Kampf gegen Cybergrooming wird so kriminalisiert, wer– entgegen seiner Vorstellung – nicht auf ein Kind, sondern auf einen Jugendlichen, einen Erwachsenen wie ein Elternteil oder einen Polizeibeamten einwirkt.

Den Grundtatbestand der sexualisierten Gewalt gegen Kinder wollen die Abgeordneten mit einem Strafrahmen von zwölf Monaten bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet wissen können. Bisher drohte hier Haft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Wer sexuelle Missbrauchsdarstellungen von Kindern in Umlauf bringt, besitzt oder sich beschafft, muss ebenfalls mit deutlich höheren Freiheitsstrafen von zwölf Monaten bis zu zehn Jahren rechnen. Auf ein gewerbs- und bandenmäßiges Verbreiten solcher Aufnahmen stehen künftig zwischen zwei und 15 Jahre Gefängnis.

Der Verkauf, Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild kann bald mit Geldstrafen oder mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Damit wollen die Parlamentarier verhindern, dass Hemmschwellen abgesenkt werden, und gehen hier noch über den ursprünglichen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums hinaus. Um Strafbarkeitslücken zu vermeiden, sollen ihnen zufolge ferner vor allem Im Darknet kursierende Missbrauchsanleitungen gesondert noch in dieser Legislaturperiode strafrechtlich erfasst werden.

Die Bundesregierung hatte im Rechtsausschuss des Bundestags erläutert, dass das Posten eines Selfies im Bikini in einer natürlichen Haltung nicht strafbar werde. Dazu könnte es allenfalls im Einzelfall kommen, wenn eine solche Selbstaufnahme als anreizendes "Posingbild" zu qualifizieren wäre.

Thorsten Frei (CDU) sprach von einer klaren und konsequenten Antwort auf die zahllosen Missbrauchsfälle in Deutschland. Es handle sich um den "größten Schritt nach vorne" in diesem Deliktsbereich. Dieser reiche aber nicht: Die Politik müsse auch eine europarechtlich und verfassungskonforme Lösung für die Vorratsdatenspeicherung finden.

Die Frist zum Löschen schwerer einschlägiger Straftaten aus dem Register werde auf 20 Jahre ausgeweitet, um das Heranpirschen möglicher Täter an Kinder etwa über Vereine zu erschweren, erklärte Susann Rüthrich (SPD). Jürgen Martens (FDP) hielt die generelle Erhöhung des Strafrahmens dagegen für verkürzt. Nötig seien vor allem mehr Personal und eine bessere Ausstattung der Ermittlungs- und Justizbehörden. Es dürfe bei sexuellem Kindesmissbrauch absolut keine Toleranz geben, betonte die Linke Gökay Akbulut. Eine Strafrechtsverschärfung bringe aber nichts, mehr Prävention wäre angesagt. Zwischen Posing- und Vergewaltigungsfotos werde zudem nicht hinreichend differenziert.

(mho)