Russland: Twitter drohen rund 100.000 Euro Strafe für Demo-Aufrufe pro Nawalny

Ein russisches Gericht verhängt eine Geldstrafe, weil der Kurznachrichtendienst Protestaufrufe gegen die Inhaftierung des Oppositionellen nicht gelöscht habe.

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(Bild: Negro Elkha/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Silke Hahn
  • mit Material der dpa
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Ein Verwaltungsgericht in Moskau hat Twitter laut Agentur Interfax zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet rund 100.000 Euro (8,9 Millionen Rubel) verurteilt, da der Kurznachrichtendienst Aufrufe zu ungenehmigten Demonstrationen nicht gelöscht habe. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit Protesten gegen die Verhaftung des Oppositonspolitikers Alexej Nawalny, für den im Januar Zehntausende Russinnen und Russen auf die Straße gegangen waren. In Russland haben Nawalnys Unterstützer Twitter bislang intensiv genutzt.

Anklagepunkt war, dass die Kundgebungen illegal gewesen seien und dass Nawalnys Mitarbeiter gezielt Jugendliche über Twitter zum Protest aufgefordert hätten. Das Urteil steht am Ende einer längeren Kette von Vorwürfen und Drohungen. So hatte die russische Telekommunikationsaufsicht Roskomnadsor zuvor den US-Konzern dafür kritisiert, dass er nach wiederholten Aufforderungen Tausende Beiträge nicht gelöscht habe, die der Behörde zufolge gegen russisches Recht verstießen. Nach eigenen Angaben hatte Roskomnadsor Mitte März damit begonnen, Twitter landesweit zu drosseln.

Insgesamt sollen über 3200 Tweets gesetzeswidrig sein, die Betreiber des sozialen Netzwerks hätten auf Löschungsgesuche nicht reagiert. Roskomnadsor zufolge ging es in den monierten Beiträgen vor allem um Kinderpornografie, Aufrufe zum Selbstmord und den Gebrauch von Betäubungsmitteln. Anfang März 2020 hatte die Telekommunikationsaufsicht dem US-Konzern mit einer Geldbuße gedroht, Mitte März dann nach eigenen Angaben begonnen, eine Drosselung umzusetzen und eine landesweite Sperre in Aussicht gestellt. Anfang des Jahres hatte Roskomnadsor bereits Facebook und anderen Betreibern sozialer Netzwerke Bußgelder in Aussicht gestellt und weitere Gerichtsprozesse angekündigt.

Der aktuelle Vorgang rund um das Verwaltungsgerichtsurteil gegen Twitter lässt sich im VK-Profil von Roskomnadsor nachlesen (Eintrag in russischer Sprache). Die Internetplattformen seien aufgerufen, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Roskomnadsor bezeichnet in dem Post die "illegalen Informationen" als "gefährlich für das Leben und die Gesundheit der Benutzer, insbesondere von Kindern und Jugendlichen". Dem Eintrag lässt sich entnehmen, dass die Telekommunikationsaufsicht bei wiederholten Verstößen auch Geldbußen bis zu einem Zehntel des Jahresumsatzes des betroffenen Konzerns verhängen könnte.

Die Unterstützer des Oppositionellen Nawalny sehen in dem Vorstoß der kremlnahen Behörde vor allem einen Versuch der Einschüchterung und Unterdrückung abweichender politischer Meinungen. Ihnen zufolge handelt es sich um einen Vorwand, um gegen ihren Protest vorzugehen. Organisationen wie Reporter ohne Grenzen, Human Rights Watch und Amnesty International kritisieren die Eingriffe als Versuch des russischen Staates, die Meinungsfreiheit einzuschränken.

(sih)