Mit Fahrgestellnummer: Transfer von Pkw-Verbrauchsdaten kann starten​

Die Durchführungsverordnung, wonach Autobauer Daten etwa zum Sprit- und Stromverbrauch gebündelt ans EU-Umweltamt schicken müssen, ist in Kraft getreten.​

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(Bild: Ulf Wittrock/Shutterstock.com)

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Vom 1. April 2022 an müssen Kfz-Hersteller Messwerte zum Kraftstoff- beziehungsweise Stromverbrauch für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gebündelt an die Europäische Umweltagentur (EUA) zur Auswertung senden. Die entsprechende Durchführungsverordnung (DV) zur Überwachung von Daten zu den CO2-Emissionen ist am 4. März im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden und damit 20 Tage später Ende März in Kraft getreten.

Persönliche Daten zu Fahrzeug-Eignern wie Namen oder Adresse sollen weder erfasst noch übertragen werden. Dies stand bereits mit der Stammverordnung vom 17. April 2019 fest, zu denen die neuen Leitlinien nun Details festlegen. Bei der DV war bis zuletzt vor allem umstritten, ob die Fahrzeug-Identifizierungsnummer mit erfasst werden soll. Das Bundesumweltministerium hatte sich hier für eine zusätzliche Pseudonymisierung starkgemacht, um die Übertragung der Fahrgestellnummer verzichtbar zu machen. Durchsetzen konnte es sich damit im EU-Ministerrat aber nicht.

"Die Daten über den tatsächlichen Kraftstoff- und Energieverbrauch sollten zusammen mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) erfasst werden", heißt es in der DV. Die Kennung gelte ab dem Zeitpunkt der Zulassung des Fahrzeugs zu den personenbezogenen Informationen und unterliege damit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Es sei sicherzustellen, "dass die FINs unter Nutzung sicherer Kommunikationswege erhoben" und die Fahrzeughalter "angemessen informiert" werden.

Die Speicherdauer der Verbrauchsangaben und der FINs ist beträchtlich: "Da das Ziel darin besteht, die Entwicklung der Leistung des Fahrzeugs im praktischen Fahrbetrieb während seiner geschätzten Lebensdauer zu verfolgen, sollten die Daten für ein und dasselbe Fahrzeug während eines Zeitraums von 15 Jahren erhoben und von der EUA während eines Zeitraums von 20 Jahren aufbewahrt werden", heißt es in der Verordnung. Die Stellen, die Messwerte erfassen und melden, sollten diese aber nur so lange aufbewahren, wie es für deren Aufbereitung für den Transfer erforderlich sei.

Die EUA soll die Daten in einem zentralen Archiv (Central Data Repository) speichern und verwalten, das für Hacker eine Anlaufstelle darstellen könnte. Die kalifornische Zulassungsbehörde, das Department for Motor Vehicles (DMV), warnte im Februar, dass nach einem Ransomware-Angriff auf ihren "Vertrauensdienst" Automatic Funds Transfer Services (AFTS) ein Leck von Kundendaten über rund 20 Monate hinweg zu befürchten sei.

Dazu kommt bei der Umweltagentur ein Geschäftsdatenspeicher (Business Data Repository – BDR), in den Hersteller unter anderem Fehler bei vorherigen Übertragungen hochladen können. Auch wenn ein Autobauer keine oder unvollständige Messwerte meldet, muss er eine entsprechende Erklärung ans BDR übermitteln.

Eine Opt-out-Möglichkeit ist vorgesehen: Fahrzeughalter sollen die Möglichkeit haben, sich zu weigern, die Daten den Herstellern oder im Zuge der technischen Überwachung etwa durch den TÜV zur Verfügung zu stellen. Nähere Details dazu finden sich nicht in der DV. Wie praktikabel ein "Nein" sein wird, ist damit offen. Die entsprechende Option könnte beispielsweise auch im Kleingedruckten der Geschäftsbedingungen oder Datenschutzbestimmungen der Hersteller stehen und nicht leicht auswählbar sein.

Die EU-Kommission soll die tatsächliche Repräsentativität der ermittelten Emissions- und Verbrauchswerte überwachen und bewerten. Sie muss zudem sicherstellen, dass die Öffentlichkeit über die Effizienz der Maßnahme informiert wird. Dazu haben die EU-Gesetzgeber in der DV klargestellt, dass die in diesem Rahmen zu veröffentlichenden Daten "keine Identifizierung einzelner Fahrzeuge oder Fahrer ermöglichen" sollten. Sie dürften "nur als anonymisierter aggregierter Datensatz ohne Bezugnahme auf die FINs" publiziert werden.

Der Einbezug der Fahrgestellnummer soll helfen, die Lücke zwischen offiziellen Angaben und Realverbrauch genau bestimmen zu können. Diese Diskrepanz zwischen den Verbrauchsversprechen der Hersteller und dem Spritschlucken auf der Straße ist zwar in den vergangenen Jahren kleiner geworden, aber laut Umweltorganisationen immer noch beträchtlich.

Zuvor hatte es Befürchtungen gegeben, dass das vorgesehene "Fuel Consumption Monitoring" (FCM) zum gläsernen Autofahrer führt. Die auf Pseudonymisierungslösungen spezialisierte Erfurter Firma Psoido brachte daher einen Ansatz ins Spiel, um nicht-nachvollziehbare, entkoppelte Pseudonyme aus den FINs zu erzeugen. Nun lagere die Kommission aber die nötige Zustimmung der Fahrzeughalter an die Hersteller aus, monierte Psoido-Geschäftsführer Steffen Holly gegenüber heise online. "So entsteht eine interessante Datenbank, die Begehrlichkeiten weckt bei Befugten und Unbefugten."

Laut den EU-Vorgaben müssen in den Mitgliedsstaaten neu zugelassene Fahrzeugtypen schon seit Anfang 2020 mit einem Verbrauchsmessgerät in Form eines "On-Board Fuel Consumption Meter" (OBFCM) ausgestattet sein. Dabei werden etwa der Kraftstoffverbrauch, die zurückgelegte Strecke, der Kraftstoffdurchsatz des Wagens und des Motors sowie die Fahrgeschwindigkeit gespeichert.

(vbr)