Telekommunikations-Datenschutz: Keine Zeit für den großen Wurf

Kann der Bundestag die Flut von Cookies und Cookie-Bannern eindämmen? Eine Anhörung macht klar: Die Fragen sind komplex, aber die Zeit ist knapp.

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(Bild: Datenschutz-Stockfoto/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags zum neuen Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) am Mittwoch zeigte sich: Viel mehr als ein Ausbessern lange bestehender Gesetzeslücken ist kaum möglich. Dennoch präsentierten die Sachverständigen Lösungsansätze für die lästigen Cookie-Banner.

Bei dem Gesetzgebungsverfahren geht es in erster Linie darum, die seit 2002 bestehenden Widersprüche zwischen EU-Recht und deutscher Gesetzgebung zu kitten. So hatte der Bundestag über mehr als ein Jahrzehnt ignoriert, dass die E-Privacy-Richtlinie ausdrücklich die Zustimmung der Nutzer verlangt, wenn etwa zu Werbezwecken Cookies auf ihrem Rechner gespeichert werden. Nachdem der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr diesem Zustand ein Ende gesetzt hatte, war eine wahre Flut von Cookie-Bannern die Folge. Experten beklagen eine große Rechtsunsicherheit auf allen Seiten.

Bei der Anhörung am Mittwoch zeigte sich schnell, dass weder Parlamentarier noch Sachverständige mit dem aktuellen Zustand zufrieden sind. "Wir sehen, dass der Nutzer das Vertrauen in digitale Dienste verloren hat", erklärte etwa Kristin Benedikt vom Institut für Europäisches Medienrecht. So seien die meisten Nutzer lediglich daran interessiert, die Cookie-Banner so schnell wie möglich wegzuklicken, um die Inhalte einer Website zu nutzen. Um diesen Missstand zu beheben, müsse man die Banner-Flut bekämpfen.

Betreiber würden heute oft das Einverständnis von Nutzern abfragen, obwohl dies eigentlich nicht notwendig sei. Klarstellungen im Gesetz, in welchen Fällen keine Cookie-Banner notwendig seien, könnten dieses Problem zumindest lindern, glaubt Benedikt. Zudem solle den Nutzern die Möglichkeit gegeben werden, selbstbestimmt aber pauschal die eigenen Daten-Präferenzen festzulegen.

Um eine solche pauschale Festlegung zu ermöglichen, brachte Professor Rolf Schwartmann, Leiter der Forschungsstelle Medienrecht an der Technischen Hochschule Köln, die Einrichtung sogenannter Datentreuhänder oder "Personal Information Management Services" zur Sprache. Diese könnten im Auftrag der Nutzer die Zustimmungen zur Datenverarbeitung erteilen und ihnen die Möglichkeit geben, die Rechte an einem zentralen Ort zu verwalten. Hierbei schweben Schwartmann staatlich akkreditierte Dienste vor, denen untersagt werden soll, die bei ihnen hinterlegten persönlichen Daten zur Monetarisierung zu nutzen.

Dieser Vorschlag stieß zwar auf prinzipielle Zustimmung, wurde aber aus dem ersten Referentenentwurf des Gesetzes gestrichen. Der Anwalt Simon Assion führte aus, dass das bestehende EU-Recht nur einen sehr geringen Gestaltungsspielraum für neue deutsche Alleingänge oder Klarstellungen zulasse. Schwartmann hingegen plädierte dafür, das Gesetzgebungsverfahren zu nutzen, um einen Impuls zu geben, der dann wieder Einfluss auf die Neugestaltung des EU-Rechts haben soll. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber befürwortete einen Pilotversuch in engen Grenzen.

Grundsätzliche Einwände kamen vonseiten des Verbraucherschutzes. Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale Bundesverband betonte, dass ein Großteil der Verbraucher kein Interesse habe, ihre Daten explizit für das Werbetracking freizuschalten. "Wenn es denn so wäre, müssten die Cookiebanner nicht so gestaltet werden, wie sie derzeit sind", erklärte der Verbraucherschützer. Somit sei zu erwarten, dass die vorgeschlagenen Daten-Intermediäre nicht vorrangig das Verbraucherinteresse verträten, sondern möglichst viele Einwilligungen zur Werbe-Datenverarbeitung generieren sollten.

Malte Engeler, Richter am Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, schlug vor, die Datenverarbeitung einzuschränken, selbst wenn eine Zustimmung der Nutzer vorliegt. Wie andere Sachverständige beklagte er, dass das jetzige System die großen IT-Konzerne wie Google, Amazon, Facebook und Apple bevorzuge, weil diese es relativ einfach haben, ihre Nutzer zur Zustimmung zu bewegen. Um diesen Nachteil heimischer Unternehmen aufzuheben, wird derzeit debattiert, ob man per Gesetz eine Zustimmung zu Werbetracking von der Zustimmungspflicht ausnehmen könne, indem man auf die Bedeutung der Werbefinanzierung zum Betrieb vieler Angebote verweist.

Engeler sieht hier ein soziales Problem: So würden insbesondere Bürger mit niedrigem Einkommen dazu gedrängt, ihre Daten komplett freizugeben, um weiterhin auf Internetdienste zugreifen zu können. Finanziell Bessergestellte könnten sich hingegen vom Tracking freikaufen. Engeler plädierte deshalb für eine Obergrenze zulässiger Datenverarbeitung. So sollten weniger relevante Datenverarbeitungen etwa zu statistischen Zwecken per Gesetz erlaubt, besonders weitgehende Datenverarbeitungen persönlicher Daten pauschal verboten werden. "Dies würde die großen Player wie alle anderen binden", erklärte der Jurist.

Wegen der beschränkten Zeit, die dem Bundestag in dieser Legislaturperiode bleibt, können solche weitgehenden Ansätze kaum in dem Gesetzestext eingearbeitet werden, da erst die Vereinbarkeit mit dem Europarecht abzuklären werden. Der Bundestag hat sich selbst unter Zugzwang gestellt: So soll das TTDSG zur gleichen Zeit mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes in Kraft treten, da sonst neue Regelungslücken entstehen würden.

Auch ohne die umstrittenen und brisanten Fragen des Werbe-Trackings gibt es im TTDSG noch reichlich Klärungsbedarf. Die Parlamentarier müssen zum Beispiel noch festlegen, inwieweit Erben auf die Account-Informationen von Verstorbenen zugreifen können sollten. Rechts-Praktiker fordern zudem noch weitere Klarstellungen im Gesetzestext, damit deutlich wird, welche Behörden die einzelnen Vorschriften des neuen Gesetzeswerks konkret durchsetzen sollen, um eine weitere Hängepartie wie bei der Deutschsetzung der Datenschutz-Grundverordnung zu vermeiden.

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