Arbeit, die man wirklich will – zum Tode von Frithjof Bergmann

Im Alter von 91 Jahren ist der österreichisch-amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann gestorben. Er prägte das Konzept der "Neuen Arbeit".

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Bergmann bei einem Vortrag im Jahr 2017.

(Bild: Xing, https://www.youtube.com/watch?v=29IoGFD86QM)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Er lehrte Philosophie und lebte Philosophie. Mit einem Aufsatz über "Die Welt, in der wir leben wollen" gewann Frithjof Bergmann eine Studienreise nach Amerika. Dort promovierte er über Hegel und lehrte ab 1958 Philosophie an der Universität von Michigan in Ann Arbor. Aus Protest gegen den Vietnam-Krieg organisierte Bergmann mit anderen Lehrenden der Universität im Jahre 1965 das erste "Teach-In" seiner Art.

Als General Motors in der Automobilstadt Flint in Michigan ein großes Werk schließen wollte, organisierte Bergmann im Jahre 1984 für rund 5000 Beschäftigte das erste "Center for New Work", in dem unter dem Stichwort der "Neuen Arbeit" Konzepte der selbstbestimmten Arbeit entwickelt wurden, die er Zeit seines Lebens propagierte. Am Montag ist Bergmann im Alter von 91 Jahren verstorben.

Das Konzept der neuen Arbeit entwickelte Frithjof Bergmann Ende der Siebzigerjahre nach einer Reihe von Reisen durch die Ostblockländer. Die dort betriebene Zentralwirtschaft wie den marktgetriebenen Kapitalismus sah er am Ende. Mit der neuen Arbeit schlug er einen Mix aus notwendiger Jobarbeit und sogenannten Callings vor, bezahlte Arbeitszeiten, in denen Menschen nach ihren Neigungen und Fähigkeiten eigene Projekte entwickeln können.

Basis dieser Callings sollten High-Tech Projekte sein, die nach ökologischen Kriterien wie denen der Selbstversorgung ausgerichtet sind. Im Idealfall erkennen die Menschen so, was sie wirklich arbeiten wollen und können sich etwa in Fabber-Kooperativen zusammenschließen, in denen sie sinnvolle Produkte herstellen.

Seit seiner Beteiligung am ersten Teach-In im Jahre 1965 interessierte sich der Philosoph Frithjof Bergmann für neue Formen der Wissensvermittlung und der Zusammenarbeit von Menschen. Ähnlich wie der Ire Mike Cooley den Zusammenbruch des Unternehmens Lucas Aerospace nutzen wollte, wollte Bergmann im Jahr 1984 mit General Motors neue Arbeitsformen nach der angedrohten Schließung eines großen Werkes in Flint einführen.

Anstatt die Hälfte der Beschäftigten zu entlassen, wurde die Arbeitszeit der Belegschaft in sechs Monate Erwerbsarbeit und sechs Monate "arbeitsfreie" Zeit halbiert, während alle zusammen ein Grundeinkommen erhielten. Die arbeitsfreie Zeit sollte zu Callings genutzt werden, in denen die Menschen sich selbstbestimmt für eine neue Tätigkeit, für Gemeinschafts- oder Familienarbeit bilden und entscheiden.

Das Projekt wurde 1986 eingestellt, doch Bergmann verfolgte sein Konzept der New Work weiter und verteidigte es gegen spätere Vorwürfe, dass etliche Projekte zwar die Neue Arbeit im Namen führten, aber das Projekt verwässerten. Er verteidigte es aber auch gegen die herablassende Art der Arbeitsmarktexperten: "Ich finde es nicht schlimm, wenn sich die Leute erst mal mit handwerklichen Dingen auseinandersetzen und nicht gleich 'High-Tech-Providing' machen. Dass sie überhaupt tätig werden, finde ich einen großen Fortschritt."

In späteren Jahren verdichtete Bergmann seine Ansichten zu dem Bild von Wüstenmenschen und Oasenmenschen. Während die einen auf Müllhalden leben müssen, frönen die anderen im Luxus. Damit es nicht zu einer bitteren Schlacht zwischen den Armen und den extrem Reichen kommt, müssten neue Technologien dazu genutzt werden, die Lebens- und Arbeitsbedingungen so zu ändern, das "kräftigende, sinnvolle" Arbeit für alle angeboten wird.

(dahe)