US-Überwachungsprogramm half kaum bei der Terrorabwehr

Das heimliche NSA-Lauschprogramm der Bush-Regierung war laut eines Berichts von Generalinspekteuren zu geheim, um im Rahmen der Terrorismusbekämpfung eine effiziente Rolle zu spielen.

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Das von der Bush-Regierung im Umfeld des 11. September 2001 gestartete und angeblich teils weiter aktive heimliche Überwachungsprogramm der National Security Agency (NSA) war zu geheim, um im Rahmen der Terrorismusbekämpfung eine effiziente Rolle zu spielen. Zu diesem Ergebnis kommt der am gestrigen Freitag vorgelegte Untersuchungsbericht mehrerer Generalinspekteure der US-Regierung, den diese in Auszügen öffentlich zugänglich (PDF-Datei) gemacht haben. Die Analyse rügt zudem "bislang nicht da gewesene Aktivitäten zur Datensammlung". Teile davon seien als "andere Geheimdienstaktionen" ausgegeben worden, die als gesondertes, bisher der Öffentlichkeit verschwiegenes "Überwachungsprogramm des Präsidenten" bezeichnet worden seien.

Mit der von der Bush-Regierung immer wieder betonten Effektivität der Überwachung der gesamten Telekommunikation ist es dem Report zufolge nicht weit her. Die meisten dafür befragten Geheimdienstmitarbeiter räumten gegenüber den Kontrolleuren ein, dass sie "Schwierigkeiten" hätten, konkrete Fälle zu nennen, in denen das ausufernde Programm zum Abhören von internationalen Telefonaten oder zur Auswertung von Verbindungsdaten ohne richterliche Anordnung zu einem Erfolg im Kampf gegen Terroristen beigetragen habe. Vom FBI (Federal Bureau of Investigation) sei angegeben worden, dass das Überwachungsprogramm sich zwar in einigen einschlägigen Untersuchungen als "wertvoll" herausgestellt habe. Allgemein habe es aber nur eine "begrenzte Rolle" in den gesamten Bemühungen der Polizeibehörde zur Bekämpfung des Terrorismus gespielt.

Bei der CIA (Central Intelligence Agency), die das umstrittene Vorhaben mit beantragt haben soll, wussten dem Bericht nach ferner zu wenige Agenten auf der Arbeitsebene von den neuen Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung. Abgehörtes Materials oder gesammelte Verbindungsdaten hätten daher nicht nutzbringend eingesetzt werden können. Sie seien den Mitarbeitern auf der unteren Ebene häufig "ohne Kontext" zugespielt worden. Die "außergewöhnliche und unangebrachte" Geheimhaltung des Programms habe seine Leistungsfähigkeit untergraben.

Der Report zeichnet zudem ein bewegtes Bild von den Umständen, die zu der Einrichtung und Aufrechterhaltung der Überwachungsaktivitäten führten. John Yoo, ein Rechtsanwalt im US-Justizministerium soll demnach die Initiative in verschiedenen Einschätzungen im Herbst 2001 gegenüber dem Weißen Haus ohne Wissen seiner direkten Vorgesetzten als durchführbar bezeichnet haben. Zu diesem Zeitpunkt sei das Programm aber schon aktiv gewesen. Zu einer heftigen Kontroverse sei es 2004 gekommen, als der gerade im Krankenhaus liegende damalige Justizminister John Ashcroft sich geweigert haben soll, die Maßnahmen weiter zu autorisieren. Seinen Meinungswechsel begründete der Republikaner mit dem Argument, dass er die Breite des Programms "falsch interpretiert habe". Die Erlaubnis zur Fortführung segnete schließlich sein Mitarbeiter Alberto Gonzales ab, der ihm später im Amt folgte.

Als Justizminister hat Gonzales laut der Untersuchung 2007 gegenüber Gesetzgebern "verwirrende und falsche" Angaben über die Operationen der NSA gemacht. Damit sei aber offenbar nicht die Absicht verknüpft gewesen, "den Kongress bewusst in die Irre zu führen". Ein Täuschungseffekt habe sich nur auf Beobachter ohne Vorwissen auswirken können. Weiter schreiben die Inspekteure, dass die Mitte 2008 beschlossene Neufassung des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) den Sicherheitsbehörden "noch größere Befugnisse zum Abhören der internationalen Kommunikation" gegeben habe als das ursprüngliche, 2005 bekannt gewordene NSA-Lauschprogramm. Zudem sei den Telekommunikationsfirmen in ihrer Funktion als Hilfssheriffs Straffreiheit zugesichert worden.

Mit der Rolle der Provider setze sich der Report so gut wie gar nicht auseinander, bemängeln US-Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF). Dabei habe US-Präsident Barack Obama im Wahlkampf noch "wenig Zweifel" daran geäußert, dass die Bush-Regierung in Kooperation mit TK-Konzernen ihre Kompetenzen missbraucht und die Verfassung durch das Abfangen der Kommunikation unschuldiger US-Bürger ohne ihr Wissen und ohne die erforderlichen Richtergenehmigungen untergraben habe. Auch die Anwälte der islamischen Stiftung Al-Haramain, die gegen das Abhörprogramm als Betroffene gerichtlich vorgehen, haben in einer neuen Klageschrift (PDF-Datei) vor dem zuständigen Bundesgericht in San Francisco Obama mit den Worten zitiert, dass die durchgeführte Beschattung von Amerikanern "ungesetzlich und verfassungswidrig" sei. Über den sich bereits lange hinziehenden Fall soll Anfang September weiter verhandelt werden. (Stefan Krempl) (jow)