Studie: Windparks in der Nordsee nehmen sich gegenseitig den Wind weg

Offshore-Windfarmen haben einen weit größeren Einfluss auf das lokale Klima als bisher angenommen, ergibt eine Simulation.

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Windkraft auf See: Borkum Riffgrund 2

(Bild: orsted.de)

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Über eine Entfernung von im Schnitt 35 bis 40 Kilometer können Offshore-Windparks einander ausbremsen.

Das ist das Ergebnis einer Studie des Helmholtz-Zentrums „Hereon“, die jetzt in Nature Scientific Reports erschienen ist. Bei stabilen Wetterlagen mit wenig Turbulenzen, vor allem im März und April, kann die Bremswirkung sogar 100 Kilometer weit reichen. In stürmischen Zeiten – besonders im November und Dezember – sei die Atmosphäre hingegen so stark durchmischt, dass der Windpark-Effekt nach Angaben des Helmholtz-Zentrums kaum ins Gewicht fällt.

„Abhängig von der Größe einer Windfarm kann das jährliche durchschnittliche Winddefizit 2 bis 2,5 Meter pro Sekunde betragen, was einem Leistungsverlust von 1 bis 2 Kilowatt entspricht“, so das Hereon. „Die Leistung eines benachbarten Windparks kann sich damit um 20 bis 25 Prozent verringern.“

Um den Wind detailliert zu simulieren, hat Naveed Akhtar, Experte für Regionale Klimamodellierung, mit seinem Team das Computer-Modell COSMO-CLM unter anderem mit Daten aus der Windparkplanung für die Nordsee aus dem Jahr 2015 gespeist. Diese enthält auch Windparks, die noch nicht gebaut worden sind. Mit diesen Daten simulierten die Forscher die Windverhältnisse für den Zeitraum von 2008 bis 2017 und glichen sie erfolgreich smit den real gemessenen Werten ab.

Das Besondere an der Arbeit sei, dass erstmals für die ganze Nordsee ein voller Zehnjahreszeitraum berechnet wurde. „Herkömmliche Strömungsmodelle für die Analyse von Windparks haben eine sehr hohe räumliche Auflösung, betrachten ein Windfeld aber nur über kurze Zeiträume“, sagt Akhtar. „Zudem lässt sich damit nicht ermitteln, wie ein Windpark die Luftströmung großräumig verändert.“

Die Ergebnisse haben Konsequenzen für die technische und politische Planung von Offshore-Windparks. „Wir haben einen Zielkonflikt beim Clustern von Windfarmen identifiziert“, heißt es im Paper. Das Zusammenfassen von Parks senke zwar die Investitionskosten für die Infrastruktur, zum Beispiel für den Stromanschluss, führe gleichzeitig aber auch zu weniger Ertrag.

Schon heute hätten die Offshore-Stromproduktion einen „substanziellen Einfluss auf die dortigen atmosphärischen Verhältnisse“. Diese Effekte würden sich in Zukunft durch mehr und größere Turbinen noch verstärken.

Da Wind einer der zentralen Faktoren für „Produktivität und Struktur der Ökosysteme“ sei, habe das auch Einfluss auf Meerestiere. Zudem beeinflusse der Wind auch die Wärmeströmungen und damit das lokale Klima. Dies wollen die Forscher künftig weiter untersuchen.

Wind in der Nordsee könne als „limitierte Ressource“ betrachtet werden, lautet das Fazit der Forscher. Mit den gegenwärtigen Ausbauplänen seien lokal die Grenzen der Ausbeutung dieser Ressource erreicht. Sie fordern eine „bessere Planung und Optimierung der Standorte“. (grh)