Abgas-Skandal: Ex-VW-Chef Winterkorn wegen mutmaßlicher Falschaussage angeklagt

Winterkorn habe eher von dem Abgas-Skandal gewusst, als er vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags beteuert hatte, meint die Staatsanwaltschaft.

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Martin Winterkorn, als er noch Vorstandsvorsitzender von Volkswagen war.

(Bild: Volkswagen)

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Der ehemalige Volkswagen-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn soll vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags falsch ausgesagt haben. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat deshalb vor einer Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin Anklage wegen uneidlicher Falschaussage erhoben.

Winterkorn wird zur Last gelegt, $(LB2127183:am 19. Januar 2017 als Zeuge vor dem zu der Frage gemacht zu haben, zu welchem Zeitpunkt er darüber unterrichtet worden war, dass in VW-Dieselautos eine Softwarefunktion zur Prüfstanderkennung eingebaut wurde und Abgaswerte im Testbetrieb manipuliert wurden. Er habe behauptet, davon erst im September 2015 erfahren zu haben, die Staatsanwaltschaft meint aber, dass ihm dies bereits seit Mai 2015 bekannt gewesen sei. Das Thema sei auch auf dem "Schadenstisch" der VW AG im Juli 2015 besprochen worden.

Unterdessen wurde bekannt, wie viel Schadenersatz Volkswagen von Winterkorn und drei weitere Ex-Topmanager wegen des Dieselskandals verlangt. Laut der abschließenden Einigung wurde ein Betrag von knapp 288 Millionen Euro vereinbart, hieß es am Mittwoch aus dem Unternehmen.

Winterkorn persönlich zahlt 11,2 Millionen Euro. Ex-Audi-Chef und -VW-Konzernvorstand Rupert Stadler soll selbst 4,1 Millionen Euro überweisen. Bei ihm und Winterkorn geht es um die Verletzung aktienrechtlicher Sorgfaltspflichten. Der frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz steuert zudem 1,5 Millionen Euro bei, der ehemalige Audi-Manager Stefan Knirsch 1 Million Euro.

Daneben gibt es zusätzliche Versicherungsleistungen, die weit über den privaten Beträgen liegen. Sie summieren sich nach Angaben von VW auf insgesamt 270 Millionen Euro. An den Verhandlungen waren neben den Anwälten der einstigen Manager mehr als 30 Versicherer beteiligt.

Sowohl die persönlichen Zahlungen als auch die versicherte Abdeckung ergäben "mit Abstand die höchste Summe, die ein solches Konsortium in Deutschland jemals auf den Tisch gelegt hat", hieß es aus Kreisen der Unterhändler. Die Grundsatzentscheidung, Winterkorn und einige von dessen Kollegen nach "Dieselgate" finanziell zur Mitverantwortung zu ziehen, war bereits Ende März gefallen. Nun liegen die Details vor.

VW hatte auch von Ex-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg Schadenersatz verlangt. Dieser sei aber "nicht zu einer Einigung bereit", weshalb nun "gerichtliche Schritte" gegen ihn vorbereitet werden sollen.

Die vereinbarten Zahlungen, die außerhalb zivil- oder strafrechtlicher Prozesse besprochen wurden, könnten einen vorläufigen Schlusspunkt in der jahrelangen Aufarbeitung individueller Verantwortlichkeiten in der Abgasaffäre setzen. Die für den 22. Juli angesetzte Hauptversammlung muss die Beschlüsse noch billigen. Vor den Gerichten selbst sind in bereits laufenden oder in demnächst anstehenden Verfahren jedoch weitere Fragen zu klären.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
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Nachdem die Stickoxid-Manipulationen an Dieselmotoren in den USA im Herbst 2015 aufgeflogen waren, kam es zu Verfahren rund um den Globus. Auch Strafjustiz und Verbraucherschützer befassten sich mit dem Ursprung des Skandals, der die Autoindustrie in eine Vertrauenskrise stürzte und den VW-Konzern bisher weit über 30 Milliarden Euro kostete.

Relativ früh räumte Volkswagen gegenüber dem US-Justizministerium seine prinzipielle Schuld an der Täuschung von Kunden und Behörden ein. Der Aufsichtsrat beauftragte jedoch zusätzlich die Kanzlei Gleiss Lutz, um die internen Abläufe in der Zeit vor der Dieselaffäre zu untersuchen. Diese Prüfung dauerte mehr als fünf Jahre.

Winterkorn hatte beteuert, sich vor Bekanntwerden der Vorwürfe stets nach bestem Wissen korrekt verhalten zu haben. Er habe "alles Erforderliche getan und nichts unterlassen, was dazu geführt hätte, den entstandenen Schaden zu vermeiden oder geringer zu halten". (mit Material der dpa) /

(anw)