Amazon & Co müssen über Empfehlungen aufklären, Influencer über bezahlte Werbung

Der Bundestag hat zwei Verbraucherschutzgesetze beschlossen, um Abzocke auf Online-Marktplätzen zu erschweren und bei den Hashtags "Werbung" aufzuräumen.

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(Bild: Daxiao Productions/Shutterstock.com)

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Empfehlungsverfahren und Bewertungen auf Online-Marktplätzen werden bald transparenter. Am Freitagmorgen kurz nach Mitternacht hat der Bundestag dazu ein Gesetzespaket verabschiedet, um insbesondere die EU-Richtlinie "zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften" ins nationale Recht zu gießen. Dafür stimmten die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD sowie die AfD. FDP und die Linke waren dagegen, die Grünen enthielten sich.

Mit den Entwürfen für eine Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und ein "Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht" kommen auf Online-Marktplätze und Vergleichsdienste wie Amazon, eBay, Airbnb und Idealo neue Hinweispflichten zu. Sie sollen Verbraucherinnen und Verbraucher künftig über die wesentlichen Kriterien des Rankings der Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalte informieren, die sie dem Verbraucher als Ergebnis seiner Suchanfrage präsentieren. Dabei müssen sie Angaben machen über die genutzten Hauptparameter von Algorithmen sowie deren "relativer Gewichtung". Eventuell erhaltene Provisionen sind ebenfalls publik zu machen.

Bei Nutzerbewertungen müssen die Betreiber erläutern, ob und wie sie sicherstellen, dass die Beurteilungen tatsächlich von Verbrauchern stammen. Ausdrücklich verboten wird es, gefälschte Verbraucherbewertungen oder deren Falschdarstellungen in sozialen Medien zu beauftragen oder zu übermitteln. Falls Verbrauchern das Resultat eines Vergleichs gezeigt wird, sind auch Hinweise auf die Anbieter nötig, die dabei einbezogen wurden.

Marktplatzbetreiber müssen Kunden ferner informieren, ob es sich bei deren potenziellen Vertragspartnern um Unternehmer oder Verbraucher handelt. Nutzerinnen und Nutzer sollen so insgesamt besser beurteilen können, warum welches Produkt oben steht in Ergebnislisten und ob Bewertungen seriös sind. Die Abgeordneten wollen damit Irreführung und Abzocke auf Online-Marktplätzen erschweren.

Künftig sollen Konsumenten beim Kauf von Eintrittskarten auf dem Zweitmarkt auch über den vom Veranstalter festgelegten Originalpreis des Tickets informiert werden. Anbieter müssen Nutzer ferner darüber aufklären, wenn ein Preis auf Basis einer automatisierten Entscheidung personalisiert wurde. Dazu kommen Sanktionen bei europaweiten Verstößen gegen Vorgaben des Verbrauchervertragsrechts. Einem Unternehmer, der in betroffenen EU-Mitgliedstaaten mehr als eine Million und zweihundertfünfzigtausend Euro Jahresumsatz erzielt hat, können die Behörden fortan eine Geldbuße von bis zu vier Prozent desselben aufbrummen.

Verbraucherinnen und Verbraucher, die fahrlässig oder vorsätzlich durch unlautere geschäftliche Handlungen geschädigt werden, erhalten einen Schadensersatzanspruch aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Die Abgeordneten haben hier statt der zunächst geplanten sechsmonatigen eine einjährige Verjährungsfrist festgeschrieben. Verbraucher benötigten in diesem Bereich regelmäßig mehr Zeit für die Durchsetzung als Mitbewerber, heißt es zur Begründung. Sie müssten in vielen Fällen erst externen Rat einholen, um Erfolgsaussichten einschätzen zu können. Der Vertrieb von Finanzdienstleistungen, Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten auf Kaffeefahrten wird ferner verboten.

Influencer und Blogger müssen einen Beitrag auf Instagram, Facebook & Co. zudem künftig als Werbung kennzeichnen, wenn sie ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erhalten. Der Gesetzgeber will hier Rechtssicherheit schaffen, nachdem mehrere deutsche Gerichte sehr unterschiedliche Urteile zu der Frage gefällt hatten, ob Social-Media-Posts mit Produktempfehlungen oder Marken-Hashtags auch dann als Reklame gekennzeichnet werden müssen, wenn dafür kein Geld geflossen ist.

Nach dem Marktortprinzip gelten die Kennzeichnungspflichten für Werbung, die sich aus dem UWG ergeben, auch für Influencer, die sich aus dem Ausland an deutsche Verbraucher richten. Damit bestehen die beschriebenen Kennzeichnungspflichten etwa ebenfalls, wenn die Online-Einflüsterer "gegen Bezahlung von ausländischen staatlichen Stellen zu Werbemaßnahmen für touristische Dienstleistungen beauftragt werden".

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) begrüßte die Beschlüsse, die am 28. Mai 2022 in Kraft treten sollen, prinzipiell. Er bedauerte aber, dass der Bundestag neben Amazon & Co. nicht auch Finanzplattformen in den Anwendungsbereich aufgenommen habe. Gerade Dienstleistungen wie Verträge zur Altersvorsorge seien für Verbraucher schwer durchschaubar. Gleichzeitig könne die Entscheidung für ein bestimmtes Produkt hier besonders folgenreich sein.

Nachholbedarf bestehe zudem bei der Informationspflicht über die Vertragspartner. Viele Online-Marktplätze träten gleichzeitig als Händler auf, einzelne Stores hätten sich parallel zu Plattformen weiterentwickelt. Dies ist den Nutzern oft nicht bewusst.

Ebenfalls beschlossen hat das Parlament einen Gesetzentwurf für verbrauchergerechte Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt. Damit sollen die Rahmenbedingungen für "Legal Tech"-Services verbessert und faire Wettbewerbsbedingungen für die Angebote von Rechtsanwaltschaft und Inkassodienstleistern geschaffen werden. Für Portale, über die Verbraucherinnen und Verbraucher etwa Ansprüche bei Flugverspätungen oder überhöhten Mietforderungen weitgehend automatisiert durchsetzen können, gelten damit höhere Anforderungen an die Registrierung. Verbraucher sollen ferner ausreichende Informationen über die jeweiligen Vor- und Nachteile verschiedener Offerten bekommen.

(kbe)