Konferenz gegen Hass-Propaganda im Netz

Auf einer Konferenz im Justizministeriums diskutierten Experten mögliche Maßnahmen gegen Hass-Seiten im Netz. Ein Vorschlag: Internetanbieter müssten stärker in die Pflicht genommen werden.

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Christian-Oliver Moser vom Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich dafür ausgesprochen, die Internetanbieter im Kampf gegen Hass-Propaganda stärker in die Pflicht zu nehmen. Ihn ärgere die Ansage vieler Provider, dass sie "nur die Plattformen" zur Verfügung stellten, sagte der Rechtsanwalt auf der Konferenz gegen die Verbreitung von Hass im Internet am heutigen Donnerstag im Bundesjustizministerium. Es sei daher wichtig, dass sich die Politik "ernsthaft" mit den gesetzlich auf Bundes- und Europaebene verankerten Privilegien der Online-Anbieter zur Haftungsfreistellung auseinandersetze. Zumindest für international agierende Online-Konzerne habe die Regel zu gelten, "dass sie weltweit alle rechtlichen Anforderungen erfüllen müssen".

Die gestaffelten rechtlichen Haftungsprivilegien für Provider erachtete Ulrich Sieber, Direktor am Max-Planck-Institut für Strafrecht in Freiburg, dagegen als "sehr wichtig". Mosers Forderung sei auch bedenklich, da in anderen Ländern Meinungsfreiheit kaum geschützt oder Alkoholwerbung verboten sei. Als nötig erachtete Sieber ein international besser verzahntes Vorgehen gegen Hass-Seiten und ein effektiveres Vorgehen gegen alle, "die entsprechende Inhalte einstellen und vorrätig halten". Das zuvor vom Zentralrat der Sinti und Roma geforderte Sperren illegaler Webangebote bezeichnete der Jurist im Gegensatz dazu als "strategisch den schlechteren Ansatz". Damit werde nur eine virtuelle Mauer um Deutschland gebildet und eine Sichtblende aufgezogen. Effektive Sperrmaßnahmen würden zudem "eine Kontrollinfrastruktur wie in China voraussetzen". Sie könnten daher nur "Ultima Ratio" sein.

Auch Sabine Frank von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) plädierte allenfalls für eine Anpassung der Haftungsregeln. So müsse die Freistellung auch dann gelten, wenn ein Anbieter von sich aus Inhalte stichprobenartig etwa mit technischen Mitteln prüfe. Momentan verschaffe er sich damit selbst Kenntnis illegaler Angebote und hafte damit von diesem Zeitpunkt an für sie. Demgegenüber sollte für Host-Provider ein "Guter-Samariter-Prinzip" eingeführt werden, das die Privilegien aufrechterhalte. Statt Sperren brachte Frank den Ansatz ins Spiel, das gegenwärtige Indizierungsverfahren durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjM) auszudehnen. Dieses garantiere im Gegensatz zu der vom Bundeskriminalamt (BKA) erstellten geheimen Filterliste ein klares rechtsstaatliches Verfahren.

Einzelheiten zum Prüfverfahren der BPjM erläuterte deren Leiterin, Elke Monssen-Engberding. Auf "Anregung" durch Jugendämter, andere Behörden oder Träger der freien Jugendhilfe hin untersuche die von ihr geführte Einrichtung Webseiten oder Trägermedien, die verbotene pornographische Darstellungen zeigen oder etwa auch zu Rassenhass aufrufen oder den Nationalsozialismus verherrlichen: "Wir versuchen dann den Anbieter zu ermitteln, wenden uns an ihn mit einem entsprechendem Schreiben." Jeder Betroffene erhalte so die Möglichkeit zur Äußerung. Die Schwarze Liste mit indizierten Seiten werde dann über das "BPjM-Modul" an die FSM weitergegeben und zum Einbau etwa in nutzerautonome Filterprogramme zur Verfügung gestellt. Auch der Großteil deutscher Suchmaschinenanbieter zeige auf Basis dieses Moduls indizierte Webangebote nicht mehr an.Für ein einfacheres Zusammenspiel mit der FSM wünschte sich Monssen-Engberding, dass auch dieser eine "Anregungsberechtigung" für die Aufnahme von Seiten auf den Index erteilt würde.

Der Berliner Oberstaatsanwalt Michael von Hagen führte aus, dass seine für Staatschutzdelikte zuständige Abteilung mit sechs Mitarbeitern nur einen Rechner mit Internetzugang habe. Man könne daher nur Stichproben bei gemeldeten extremistischen Webseiten durchführen. Bei der Rechtshilfe habe sich viel vereinfacht, aber die Leugnung des Holocausts etwa sei in vielen anderen Ländern nicht verboten. Den Strafverfolgern seien so die Hände gebunden und ein Vorgehen über Nichtregierungsorganisationen der bessere Weg. Prinzipiell sei es sehr schwierig, "die Verantwortlichen für den Hass zur Verantwortung zu ziehen". Man könne versuchen, über Provider an die Nutzerdaten hinter IP-Adressen zu kommen. Man erhalte dann aber häufig Personalien, "die so gar nicht existieren" bis hin zu eingetragenen Namen wie Adolf Hitler.

Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz, verwies darauf, dass Artikel 5 Grundgesetz die Meinungsfreiheit garantiere und dieser zugleich Grenzen auferlege. So dürfe diese nicht auf Kosten anderer Menschen gehen und Hass gepredigt werden. Es sei "sehr genau unterschieden zwischen der Meinungsfreiheit, die sein muss", und den einzuhaltenden Limits. Der Bremer Strafrechtler Felix Herzog ergänzte, dass es bei Hass-Seiten um Angriffe auf die Menschenwürde und Aufrufe zu Gewalt gehe. Diese würden nicht in den Bereich der geschützten Meinungsfreiheit fallen. Es sei daher "ein ganz falscher Zungenschlag, wenn wir über Zensur sprechen". Es dürfe nicht soweit kommen, dass Bürger das Internet "wie eine schlechte Gegend" insgesamt meiden würden. (Stefan Krempl) / (vbr)