Galileo: Hochgenaue Jod-Uhren sollen die Satellitennavigation verbessern

Wissenschaftler entwickeln im Projekt Compasso Uhren auf Basis der Quantenmechanik, damit Galileo-Nutzer ihren Standort genauer bestimmen können.

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(Bild: Adrian Grosu/Shutterstock.com)

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Das globale Satellitennavigationssystem Galileo ermöglicht bereits eine hohe Positionsgenauigkeit und präzise Zeitinformation. Die aktuell 22 aktiven Satelliten der europäischen GPS-Alternative senden dafür ständig Daten, damit Nutzer ihren Standort bestimmen können. Künftig soll dies noch besser funktionieren: Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeiten im Projekt Compasso gemeinsam mit Wirtschaftspartnern an hochgenauen Jod-Uhren für die Erdtrabanten und eine neue Generation weltraumfähiger Laser-Messsysteme.

Derzeit verrichten im Galileo-System Atomuhren ihre Arbeit, die auf die Nanosekunde genau sind. Eine Milliarde davon dauert eine Sekunde lang. Die aktuell im Institut für Quantentechnologien des DLR entwickelten Jod-Laseruhren seien aber "um ein Vielfaches" präziser als andere Systeme, erläutert Felix Huber vom Galileo-Kompetenzzentrum in Oberpfaffenhofen. Die Aufbauphase der Einrichtung, die das DRL betreibt, soll nach rund zwei Jahren bald abgeschlossen sein. Sie leitet die Compasso-Initiative, mit der ursprünglich kompakte, hochstabile laseroptische Uhren auf der Internationalen Raumstation (ISS) getestet werden sollten.

Die Jod-Laseruhren werden momentan für den Einsatz im Weltraum qualifiziert: Die beteiligten Wissenschaftler sind hier besonders gefordert, denn die speziellen Zeitmesser müssen besonders klein, robust und langlebig sein. Die Basis für die Laseruhren bilden dabei die Prinzipien der Quantenmechanik. Es geht also um physikalische Vorgänge auf atomarer Ebene und damit "in der Welt des Allerkleinsten", wie das DLR schreibt.

Die Galileo-Satelliten funken generell pausenlos Daten über ihre Borduhrzeit und ihre Laufbahn. Der Empfänger berechnet den Abstand zu den Begleitern im All, indem er feststellt, wie lange das Signal unterwegs ist. Die Bestimmung der Position erfolgt durch drei Satelliten gleichzeitig. Zusätzlich ist ein Vierter nötig, damit die Empfängeruhr synchron mit den Satellitenuhren läuft. Letztere müssen wiederum untereinander möglichst perfekt aufeinander abgestimmt sein. Diese Genauigkeit ist nicht nur für den Verkehr wichtig, sondern auch für Finanztransaktionen, die Energieversorgung und die Landwirtschaft.

"Eine Ungenauigkeit der Zeitmessung von einer Nanosekunde würde zum Beispiel einem Fehler von 30 Zentimetern in der Entfernungsmessung entsprechen", erklärt Huber. Das hört sich nach nicht viel an, denn immerhin kreisen die Satelliten in etwa 23.000 Kilometern Höhe um die Erde. Aber gerade bei der Navigation von Fahrzeugen, die automatisiert unterwegs sind, wäre das laut dem Professor nicht tolerierbar: "Die Atomuhren in den Satelliten müssen so exakt übereinstimmen, dass sie Positionsgenauigkeiten im Bereich weniger Zentimeter in Echtzeit erlauben."

Für Compasso hat zudem das DLR-Institut für Kommunikation und Navigation mit den beteiligten Firmen Menlo und Tesat ein Laserterminal erarbeitet, das die Daten überträgt, die Uhren der Satelliten synchronisiert und Entfernungen hochpräzise bestimmt. Dazu kommt neben anderen Instrumenten, die Experimente im Weltraum unterstützten, ein Frequenzkamm. Er überträgt die optischen Signale in den Frequenzbereich für die Satellitennavigation. Das DLR-Institut für Softwaretechnologie hat dazu eine Betriebssoftware für den Computer programmiert, der die Tests steuert. Der DLR-Raumflugbetrieb unterstützt und übernimmt die Vorbereitung und Durchführung des Gesamtvorhabens.

Wie künftige einschlägige Systeme gestaltet werden müssen, um den höchsten Nutzen zu erreichen, lotet das Galileo-Kompetenzzentrum parallel im Projekt Robust Precise Timing Facility (RPTF) aus. Anders als bei Compasso werden damit dem DLR zufolge die für den Galileo-Betrieb notwendigen Bodensysteme weiterentwickelt. Es handele sich um Hard- und Software "für die perfekte Zeitverteilung" in dem Navigationssystem. Die Messinstrumente auf der Erde ließen sich dafür beliebig erweitern. Sie handelten quasi als "Team" und lieferten selbst dann noch perfekte Zeiten, "wenn einige von ihnen ausfallen sollten oder ausgetauscht werden".

"Die Referenzzeit am Boden muss für die Satelliten immer zuverlässig bleiben", betont Huber. Nebeneffekt von RPTF sei, diesen Teil der Messung so stabil machen zu können, dass sie in anderen Systemen für die Wartung und Fehlersuche verwendbar sei. 2019 sorgte Galileo mit einem rund einwöchigen Ausfall diverser Funktionen für Schlagzeilen. Eine Verkettung widriger Umstände einschließlich eines Software-Updates in Oberpfaffenhofen soll dazu geführt haben. Das zweite Kontrollzentrum ist im italienischen Fucino angesiedelt. Das System befindet sich insgesamt noch im Probebetrieb.

(bme)