Raumfahrt-Patentstudie: Airbus und Boeing dominieren, China holt rasch auf

Mit dem Boom von Weltraum-Technologien haben die Patentaktivitäten in dieser Sparte seit 2010 rasant zugelegt. SpaceX & Co. hinterlassen noch keine Spuren.

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(Bild: NASA)

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Als vor sechzig Jahren der erste Mensch in den Orbit flog, waren Weltraumtechnologien die exklusive Domäne einiger weniger staatlicher Organisationen. Inzwischen erleben Raumfahrt-Technologien einen nie gekannten Boom. Allein die kommerziellen Einnahmen aus Satellitenstarts sind im vergangenen Jahrzehnt um über 50 Prozent gestiegen. Der Zufluss von privatem Kapital, der 2019 5,7 Milliarden US-Dollar betrug, hat auch zu einem massiven Anstieg der Patentanmeldungen in diesem Bereich geführt: Diese haben sich im Zeitraum von 2007 bis 2017 zumindest verdreifacht.

Dies ist eines der Ergebnisse einer Studie zu Patentaktivitäten im Bereich Kosmonautik, die das Europäische Patentamt (EPA) und das Europäische Institut für Weltraumpolitik (ESPI) in Kooperation mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) durchgeführt und jetzt veröffentlicht haben. Ein Großteil des Wachstums der Anmeldungen einschlägiger gewerblicher Schutzrechte geht demnach in Europa auf das Konto von Betreibern aus Deutschland und Frankreich. Rund 85 Prozent der Patente sind hier im Besitz privater Unternehmen.

Quasi aus dem Nichts sind im vergangenen Jahrzehnt aber auch die Anträge aus China auf über 50 Prozent aller Patentfamilien im Jahr 2018 raketenhaft nach oben gegangen. Die Autoren führen dies teils auf die allgemeinen Änderungen in der chinesischen Patentpolitik zurückzuführen: Diese biete für inländische Akteure mittlerweile große Anreize, Patentschutz in einer im weltweiten Vergleich ungewöhnlich hohen Rate zu beantragen. Es seien aber nur etwa 5 Prozent der Patentfamilien mit Ursprung in China auch in anderen Rechtsordnungen geschützt. Trotzdem habe die starke Stellung der Volksrepublik in diesem Sektor Konsequenzen für ausländische Akteure, die einen Markteintritt in China anstreben.

Die Studienmacher untersuchen generell verfügbare Daten aus weltweiten Datenbanken für gewerbliche Schutzrechte und haben dabei fast 12.000 Patentfamilien ausgemacht, die ihre Kriterien grundsätzlich erfüllen. Übergeordnetes Ziel ist es zu zeigen, wie verschiedene öffentliche und private Stellen Innovationen in Kosmonautik-Bereichen wie Antrieb, Systemsteuerung, Bordstromversorgung, Telepräsenz und Robotik sowie Trümmerbeseitigung vorantreiben.

Die Zahl der Patentfamilien in der Raumfahrt ist laut den Resultaten allein in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen, von etwa 300 auf etwa 1200. Die Zahl der jährlichen Weltraumstarts hat sich parallel auf etwa 500 vervielfacht, was die Expansion des Sektors belegt. Die zunehmende Patentanmeldetätigkeit sowohl in Europa als auch weltweit sehen die Forscher zugleich als Indikator für einen "reifenden Markt", da die Beteiligten zunehmend versuchten, "ihr geistiges Eigentum zu schützen".

US-Institutionen führen die erstellte 30-Jahres-Statistik von 1990 bis 2020 an, gefolgt von anderen etablierten Raumfahrtnationen. Von den weltweiten Patentanmeldungen entfallen auf die USA 38, auf China 19 und Japan 10 Prozent. Deutschland liegt mit 9 Prozent auf Rang 4, Frankreich mit 8 Prozent auf Platz 5. Es folgen Russland und Südkorea mit je 5 Prozent.

Hauptakteure sind global seit 1990 beständig Airbus, Boeing, Safran, Lockheed Martin und die US-Regierung. Seit 2015 schiebt sich die staatliche China Aerospace Science and Technology Corporation (CASC) abrupt nach vorn. Dabei handelt es sich um den Hauptauftragnehmer für das chinesische Raumfahrtprogramm.

Bei den kleineren Mitspielern mit weniger als 500 Patentfamilien beherrschen Maxar Technologies, Aerojet Rocketdyne und die ESA das Feld. Seit 2017 macht sich hier zudem das Shanghai Engineering Centre for Microsatellites massiv bemerkbar. Jeff Bezos' Firma Blue Origin setzt seit 2010 zumindest in fünf Jahren ein paar Sprenkel auf der Karte. Die ebenfalls bekannten "New Space"-Akteure SpaceX von Elon Musk und Virgin Galactic (Richard Branson) tauchen in dieser Tabelle sowie im ganzen Bericht nicht auf.

Die europäischen Aktivitäten in der Kosmonautik sind ziemlich zentralisiert, wobei die größten Player ihren Sitz in Deutschland mit 1270 und in Frankreich mit 1219 Patentfamilien haben. Großbritannien kommt auf 283 Patentfamilien, Italien, Schweden, Spanien, die Niederlande und die Schweiz landen bei je unter 100. Europa schätzen die Autoren als wichtigen Markt für ausländische Unternehmen ein. Dafür spreche "eine bemerkenswerte Patentanmeldeaktivität" durch US-Einrichtungen, aber auch durch japanische, koreanische, russische und kanadische Unternehmen.

Auf einzelne Technologiebereiche gehen die Verfasser separat ein. Beim Antrieb bezeichnen sie den "schwindelerregenden Anstieg von 200 geschützten Erfindungen zwischen 2015 und 2016" als besonders auffällig. Sie erklären ihn mit hohen Anmeldeaktivitäten etwa durch das Korea Aerospace Research Institute und die Firma Hanwha und durch Russland (Roskosmos und einzelne Firmen). Weitere große Antragsteller in diesen Jahren seien für Technologien wie Turbopumpen, Feststoffraketenantriebe und -motoren, 3D-Druckverfahren und elektronische Komponenten Aerojet, Boeing und Raytheon gewesen. Ferner habe die Airbus-Gruppe in dieser Zeit ihr Patentportfolio erweitert.

Im Sektor "Elektrische Leistung von Raumfahrzeugen" erkennen die Forscher einen "steilen Anstieg der Anmeldungen, der in Europa am deutlichsten zu spüren ist". Die Patentfamilien seien hier deutlich größer als in allen anderen Technologiebereichen der Analyse. Sieben der zehn größten Patentinhaber kommen in diesem Bereich im Untersuchungszeitraum aus der Automobilindustrie, darunter Nissan, Toyota und Bosch. Airbus, Boeing und Thales vervollständigen die Top 10.

(bme)