Lobbyschlacht: Was sich Google & Co den Kampf gegen EU-Regeln kosten lassen

Mit Rekordausgaben wollen Google, Facebook, Microsoft & Co geplante EU-Plattformgesetze beeinflussen. Jetzt sind erstmals die Lobbyausgaben bekannt.

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Wegweiser "Lobby"

Antichambrieren ist out, lobbying ist in.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.


612 Unternehmen, Vereinigungen und Wirtschaftsverbände versuchen, die Politik der EU im Bereich digitale Wirtschaft mit ihrer Lobbyarbeit zu beeinflussen. Dafür geben sie pro Jahr aktuell mehr als 97 Millionen Euro aus und beschäftigen insgesamt 1452 Lobbyisten. Dies geht aus einer Studie zur "Lobbymacht von Big Tech" hervor, die die beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen LobbyControl und Corporate Europe Observatory (CEO) am Dienstag veröffentlicht haben.

Die IT-Branche hat demnach die höchsten Lobbyausgaben in der EU, noch vor der Pharmaindustrie, Erdöl- und Erdgaskonzernen, der Finanzwirtschaft und der Chemiebranche. Allein die zehn größten Digitalkonzerne beschäftigen in Brüssel mehr als 140 Lobbyisten und lassen über 32 Millionen Euro pro Jahr dafür springen. Google steht an der Spitze mit 5,75 Millionen Euro für Politikbeeinflussung in Brüssel, gefolgt von Facebook mit 5,5 und Microsoft mit 5,25 Millionen Euro.



Apple folgt laut der Analyse auf Platz vier mit 3,5 Millionen Euro. Rang fünf belegt der chinesische Konzern Huawei mit 3 Millionen Euro. Auf den Plätzen sechs bis zehn befinden sich Amazon, Intel, Qualcomm, IBM und Vodafone mit Lobbykosten von 2,75 bis 1,75 Millionen Euro jährlich. Nach der millionenschweren Spitzengruppe folgen Netflix, Airbnb, Uber, Spotify, Alibaba und eBay. Sie stellen jährlich zwischen 600.000 und 900.00 Euro für EU-Lobbyarbeit bereit.

Von allen Unternehmen, die die EU-Politik im Bereich digitale Wirtschaft auch durch Kräfte vor Ort beeinflussen wollen, kommt gut ein Fünftel aus den USA und dort vor allem aus dem Silicon Valley. Weniger als ein Prozent haben ihren Sitz in China oder Hongkong (Alibaba). Diese Konzerne aus dem Reich der Mitte blättern insgesamt 18 Millionen Euro pro Jahr für ihre Lobbyaktivitäten hin.

Um die Lobbymacht der Digitalbranche in Europa zu ermitteln, haben die Verfasser die im EU-Transparenzregister verfügbaren Informationen genutzt. Dabei haben sie sich zunächst alle Firmen anzeigen lassen, die ein besonderes Interesse an der digitalen Wirtschaft haben. Dazu zählten sie vor allem Anbieter von Hardware, Software sowie von Telekommunikations- und Informationsdiensten, aber etwa auch Bayer, Bosch und Kyocera. Die Ergebnisse glichen sie mit der Forbes-Liste der 100 wichtigsten digitalen Unternehmen ab und ergänzten noch fehlende Konzerne.

Die großen Internetplattformen kümmern sich laut der Studie aber nicht nur selbst um die Lobbyarbeit. Sie lassen ihre Interessen auch von einem breiten Netzwerk aus professionellen Lobbygruppen, Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien vertreten. Zudem finanzieren sie zahlreiche Denkfabriken und andere Gruppierungen wie das Centre for Information Policy Leadership (CIPL) und Center on Regulation in Europe (CERRE). Dazu heißt es: "Allein die Wirtschaftsverbände, die sich für die Interessen von Big Tech einsetzen, geben mehr Geld für Lobbyarbeit aus als 75 Prozent der Unternehmen in der Digitalwirtschaft."

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Die Rekordausgaben erklären die Verfasser damit, dass aktuell eine "Lobbyschlacht" um die Entwürfe der EU-Kommission für den Digital Services Act (DSA) und den Digital Markets Act (DMA) tobe. Mit diesen Initiativen für ein "Plattform-Grundgesetz" und neue kartellrechtliche Vorgaben will die Brüsseler Regierungsinstitution Macht von Google, Amazon, Facebook & Co begrenzen. Dagegen wehrt sich die Digitalindustrie laut den Autoren "mit geballter Kraft".



Seit dem Amtsantritt des Kabinetts Ursula von der Leyens (CDU) Ende 2019 sei der Großteil der Lobbybemühungen der digitalen Wirtschaft auf diese beiden Gesetzesvorhaben gerichtet gewesen, ist der Studie zu entnehmen. Über 271 Treffen hätten dazu mit der Kommission bereits stattgefunden, davon 202 mit Unternehmen und ihren Branchenverbänden und nur 52 mit Nichtregierungsorganisationen, Verbraucherverbänden und Gewerkschaften.

Zwölf der fünfzehn wichtigsten Lobbyakteure handelten im Auftrag der Internetwirtschaft. Darunter befanden sich laut der Studie Google, Facebook, Microsoft, Spotify und der Branchenverband DigitalEurope. Letzten Herbst ist Googles Lobby-Strategie gegen die EU-Kommission bekannt geworden.

"Diese gigantische Lobbymacht ist eine Gefahr für die Demokratie und sollte ein Weckruf sein", mahnt Max Bank von LobbyControl, einer der Autoren der Studien. Er fordert "bessere Regeln für Lobbyismus und neue Instrumente, um die Macht von Big Tech zu beschränken". Nötig seien zudem "weitere strukturelle Maßnahmen, etwa die Möglichkeit, zu große digitale Plattformen aufzuspalten". Margarida Silva vom CEO ergänzte, dass die EU-Gesetzgebungsinstitutionen "selbst tätig werden und proaktiv Zivilgesellschaft und Wissenschaft stärker einbinden" müssten.

(ds)