Los Angeles: Polizei sammelt Social-Media-Daten aller gestoppten Personen

Polizisten in Los Angeles sollen in "Vor-Ort-Befragungskarten" auch Konten von Nutzern sozialer Medien sowie E-Mail-Adressen eintragen und auswerten.

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(Bild: zef art/Shutterstock.com)

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Das Los Angeles Police Department (LAPD) hat seine Beamten angewiesen, die Social-Media-Informationen und E-Mail-Adressen aller von ihnen befragten Zivilisten zu sammeln. Dies gilt auch für Personen, die nicht verhaftet oder einer Straftat beschuldigt werden. Damit einher geht eine umfassende Analyse von Beiträgen, die Nutzer in sozialen Netzwerken posten. Dafür setzt das LAPD auf spezielle Software zum Auswerten großer Datenmengen.

Dies geht aus Dokumenten hervor, die das Brennan Center for Justice auf Anfrage auf Basis des US-Informationsfreiheitsgesetzes erhalten und am Mittwoch veröffentlicht hat. Darunter sind Kopien von "Vor-Ort-Befragungskarten", die Polizisten bei der Befragung von Zivilisten ausfüllen müssen. Die LAPD-Beamten sollen demnach neben grundlegenden biografischen Informationen auch die Facebook-, Instagram-, Twitter- und sonstigen Social-Media-Konten der angehaltenen Personen erfassen.

Eingeführt hat die weitgehende, bislang öffentlich nicht bekannte Praxis der frühere LAPD-Chef Charlie Beck 2015. Er verwies damals in einer Nachricht an alle Mitarbeiter darauf, dass soziale Medien immer populärer würden. Wie ein Pseudonym und ein Künstler- oder Spitzname könnten die Online-Identität einer Person sowie die darüber getätigte Kommunikation daher "höchst nützlich sein für Untersuchungen" sowie potenziell für weitergehende einschlägige Analyseprogramme.

Der aktuelle Polizeichef von Los Angeles, Michel Moore, hält an dieser Linie fest und untermauerte sie in einer Notiz an die Beschäftigten vom Juli 2020 noch. Darin forderte er die Beamten nachdrücklich auf, alle Informationen sorgfältig in die "Interviewkarten" einzutragen, da diese von Vorgesetzten der Behörde "auf Vollständigkeit und Gültigkeit" überprüft würden.

Das Brennan Center untersuchte nach eigenen Angaben 40 andere Polizeibehörden in den USA auf vergleichbare Aktivitäten. Die zivilgesellschaftliche Organisation konnte dabei aber keine Hinweise darauf finden, dass dort ebenfalls Details zu Social-Media- und E-Mail-Konten abgefragt und aufbewahrt werden. In einem Schreiben vom April habe das LAPD zudem erklärt, dass es keine internen Kontrollverfahren für die Überwachung sozialer Medien gebe. Die Beamten haben dabei also weitgehend freie Hand.

Das Instrument ermögliche "eine groß angelegte Überwachung sowohl der Personen, von denen sie erfasst werden, als auch ihrer Freunde, Familienangehörigen und Bekannten", schreibt das Brennan Center. Auch Unverdächtige seien so betroffen. Die Informationen aus den Karten würden in Software der umstrittenen Big-Data-Firma Palantir eingespeist. Darüber könnten sie mit einer Vielzahl von Quellen zusammengeführt werden.

Palantir-Programme wie Gotham erleichterte den Beamten die Suche in Daten, die das LAPD selbst erhebe oder von Dritten erwerbe, heißt es weiter. Wenn ein Beamter etwa eine "Person von Interesse" in einer kriminalpolizeilichen Untersuchung identifiziere, könne die Software verwendet werden, um eine Historie ihrer Bewegungen und persönlichen Beziehungen zu erhalten. Dazu würden etwa auch Datensätze der Kfz-Zulassungsstelle, Kennzeichenlesedaten, Beschäftigungsinformationen, Verhaftungsprotokolle und andere Quellen einbezogen.

Besonders besorgt sind die Bürgerrechtler, da das LAPD bereits dafür bekannt sei, Minderheiten und Aktivisten gezielt zu überwachen. Laut den erhaltenen Papieren nutzte die Behörde bereits 2016 die Data-Mining-Software Dataminr zur Kontrolle von Protesten. Andere Dokumente zeigen, dass das LAPD ferner den Anbieter Geofeedia einsetzte, um soziale Medien nach Informationen über "Black Lives Matter"-Aktivisten und Proteste gegen Polizeigewalt zu durchsuchen und dabei zahlreiche Hashtags zur Identifizierung ihrer Beiträge verwendete. Facebook und Twitter sperrten Geofeedia 2017 den Zugang zu ihren Daten, nachdem bekannt wurde, wie die Polizei diese verwendet.

Als neues und zusätzliches Analyseinstrument schwört die Polizei in LA den Papieren zufolge auf Media Sonar. Der Anbieter pries seine Plattform in einer Präsentation für die Behörde als "Online-Ermittlungssoftware" an, die es Anwendern ermögliche, "potenzielle Bedrohungen zu erkennen, neue Spuren zu finden, Zeugen ausfindig zu machen und das Krisenmanagement zu verbessern". Die Rede ist von einer Funktion zum Erstellen digitaler Fußabdrücke von Online-Nutzern, die eine "vollständige digitale Momentaufnahme" der Präsenz einer Person im Netz darstelle. Man habe Zugang zu über dreihundert Informationsquellen mit zwei Milliarden Datensätzen, die etwa aus öffentlichen Aufzeichnungen zusammengestellt würden.

Das LAPD bestätigte, dass es für 2021 Media-Sonar-Lizenzen mit Geldern aus einem Fördertopf für die Sicherheit in städtischen Gebieten erworben habe. Ein Vertrag sei mit der Firma aber noch nicht unterzeichnet worden. Es sei sehr gefährlich für die Bürgerrechte, "wenn die Polizei all diese Informationen zur Identifizierung in den sozialen Medien zur Hand hat", warnte Rachel Levinson-Waldman, Vize-Direktorin des Brennan Center, gegenüber dem "Guardian". Polizei und Staatsanwaltschaft hätten bereits wiederholt Facebook-Fotos und "Likes" verwendet, um etwa zweifelhafte oder falsche Behauptungen über kriminelle Bandenaktivitäten aufzustellen.

(mho)