AlgorithmWatch: LinkedIn diskriminiert Job-Bewerber aus anderen EU-Staaten

LinkedIn stuft Menschen, die sich für einen Job in einem anderen EU-Land interessieren, über den Dienst "Recruiter" teils automatisch als ungeeignet ein.

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(Bild: Roman Pyshchyk/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

LinkedIn hat Probleme im Umgang mit dem in der EU geltenden Grundrecht auf Freizügigkeit, wonach Bürgerinnen und Bürger der Gemeinschaft in jedem der Mitgliedsstaaten arbeiten und leben dürfen. Der von dem sozialen Netzwerk zur Pflege und zum Anbahnen von Geschäftskontakten angebotene Service "Recruiter" stuft laut einem Bericht der Organisation AlgorithmWatch Bewerber, die sich für einen Job in einem anderen EU-Land bewerben, zum Teil automatisch als "nicht geeignet" ein. Experten sehen darin einen klaren Verstoß gegen europäisches Recht.

Recruiter soll es Arbeitgebern einfacher machen, ideale Kandidaten für offene Stellen zu finden. Mit den Funktionen können vor allem Arbeitskräfte, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, gezielt angesprochen werden. Unternehmen veröffentlichen darüber zusätzlich auch offene Stellen, die Bewerber ansprechen sollen. Interessenten, die "aus dem Ausland" kommen, werden dabei aber automatisch aussortiert. Ihre Zuschriften landen in einer versteckten Ablage, die mit dem Spamordner bei E-Mail vergleichbar ist.

Die Personalverantwortlichen und die Bewerber werden zu keinem Zeitpunkt darüber informiert, wenn diese Funktion greift. Um die maschinelle Auswahl abzustellen, müssen Jobanbieter sie in ihren Voreinstellungen manuell ausschalten.

Dass die Einstufung auch auf dem EU-Binnenmarkt aktiv ist, verletzt laut einer von AlgorithmWatch nicht namentlich zitierten Anwältin einer europäischen Antidiskriminierungsstelle eine der vier Grundfreiheiten der EU: Bürger der Mitgliedsstaaten müssten bei der Arbeitssuche gleichbehandelt werden. Dieser Aspekt sei so grundlegend, dass er in sechs Artikeln des EU-Vertrags Verordnungen und Richtlinien erwähnt wird.

Artikel 5 der Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schreibt etwa vor, dass ein EU-Bürger, "der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats eine Beschäftigung sucht", dort die gleiche Hilfe erhalten soll, wie sie die Arbeitsämter dieses Landes den eigenen Angehörigen gewähren, die eine Beschäftigung suchen. Eine Sprecherin der Europäischen Arbeitsbehörde erklärte dem Bericht nach, dass dieser Grundsatz "auch für andere Jobbörsen und -plattformen" gelte, nicht nur für Behörden wie die Bundesagentur für Arbeit.

Die Durchsetzung dieses Rechts ist aber offenbar nicht so einfach. Eine Sprecherin der deutschen Gleichbehandlungsstelle für EU-Arbeitnehmer teilte AlgorithmWatch mit, dass eine Diskriminierung durch die Funktion von LinkedIn "nicht so einfach zu definieren" sei. Denn der Arbeitgeber könne selbst entscheiden, "wen er einstellt". Sicher nutze gerade die junge Generation Online-Werkzeuge. Deren Umsetzung müsse aber erst konkret bewertet werden.

Ende August listete LinkedIn rund 938.000 offene Stellen allein in Deutschland. Öffentliche Einrichtungen wie die Deutsche Bundesbank und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schreiben dort Jobangebote aus. Das eigentliche Bewerbungsverfahren findet bei diesen aber nicht über das Portal direkt statt, sodass Bewerber aus anderen EU-Staaten dort vermutlich nicht automatisch diskriminiert werden.

Die EU-Agentur für Grundrechte erklärte generell, dass das Recht auf Nichtdiskriminierung auch für den Einsatz von Algorithmen gelte. Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hieß es, dass eine Schlechterstellung aufgrund des Wohnorts nicht im deutschen Gleichbehandlungsgesetz aufgeführt und man daher für den Fall nicht zuständig sei.

LinkedIn reagierte am Montagnachmittag nicht auf eine Anfrage von heise online mit Bitte um Stellungnahme. Auch gegenüber AlgorithmWatch hatte der US-Konzern zuvor keine Auskunft darüber gegeben, wie viele EU-Bewerber aufgrund ihres "Ausländer"-Status automatisch abgelehnt wurden, obwohl sie sich auf eine Stelle in einem Mitgliedsstaat beworben hatten. Ein Sprecher versicherte aber, dass LinkedIn dabei sei, die Funktionsweise einiger seiner völlig optionalen Standortdienste für Nutzer, die Stellen in der EU ausschreiben, zu ändern. Bis der neue Ansatz greift, empfiehlt es sich, gegebenenfalls den eigenen Wohnort für eine Bewerbung in der EU manuell anzupassen.

(kbe)