Von der Leyen: EU soll ein Halbleiter-Ökosystem bekommen

In Ihrer Rede zur Lage der Union die Präsidentin der EU-Kommission ihre Pläne für Europa präsentiert. Dabei reagiert sie auf die derzeitige Halbleiterknappheit.

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Ursula von der Leyen spricht vor dem EU-Parlament.

(Bild: EU-Parlament)

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihrer Rede zur Lage der Union dargelegt, wie Europa gestärkt aus der Coronavirus-Pandemie hervorgehen könnte. Zusammengefasst: Europa soll grüner und widerstandsfähiger werden – und eine Halbleiterindustrie bekommen, die die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Halbleiterknappheit strebt die Kommissionspräsidentin ein "hochklassiges europäisches Chip-Ökosystem" an. Dazu müssten die Forschungs-, Entwicklungs- und Testkapazitäten zusammengebracht und die Investitionen innerhalb der EU koordiniert werden. Dazu werde die Kommission ein neues europäisches Chips-Gesetz vorlegen. Damit geht von der Leyens Ankündigung weiter als bisherige Strategien der EU-Kommission, in der von Allianzen die Rede war.

Dies sei nicht nur eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch eine der technologischen Souveränität. Vom Smartphone und Elektro-Stehroller bis zu Zügen oder Industrie 4.0 – "ohne Chips kein digitales Produkt", sagte von der Leyen.

Bei wachsender Nachfrage arbeiteten derzeit wegen der Chip-Knappheit ganze Produktionslinien nicht mehr mit voller Kraft. Zudem habe Europas Anteil an der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktgestaltung bis hin zur Fertigungskapazität in diesem Bereich abgenommen: "Wir hängen von Hochleistungschips aus Asien ab", sagte von der Leyen (PDF).

Zur Halbleiterknappheit sieht auch

Ein eigenes Chip-Ökosystem würden die europäische Versorgungssicherheit gewähren und neue Märkte für "bahnbrechende europäische Technologien" erschließen, meint von der Leyen. Das Vorhaben verglich sie mit dem Satellitenprojekt Galilieo, das vor 20 Jahren initiiert und dann auch umgesetzt wurde. "Europäische Satelliten liefern heute Navigationssysteme für mehr als zwei Milliarden Smartphones weltweit. Wir sind weltweit führend. Lassen Sie uns deshalb erneut mutig sein, diesmal bei den Halbleitern."

Zur Pandemie selbst sagte von der Leyen, nun seien über 70 Prozent der Erwachsenen in der EU vollständig geimpft. "Wir waren die einzigen, die die Hälfte unserer Impfstoffproduktion mit der übrigen Welt geteilt haben. Wir haben die Menschen in der EU mit mehr als 700 Millionen Impfdosen versorgt. Und wir haben weitere gut 700 Millionen in die restliche Welt geliefert, in über 130 Länder."

Als Lehre aus der Pandemie sollen in den kommenden sechs Jahren 50 Milliarden Euro in die Gesundheitsvorsorge der gesamten EU investiert werden. Kein Virus dürfe aus einer lokalen Epidemie jemals wieder eine globale Pandemie machen, sagte von der Leyen.

Angesichts von Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten wie Daphné Caruana Galizia, Jan Kuciak. Peter de Vries kündigte von der Leyen für 2022 ein Medienfreiheits-Gesetz an. Damit sollen diejenigen geschützt werden, "die Transparenz schaffen. Medienhäuser sind nicht einfach x-beliebige Wirtschaftsunternehmen. Ihre Unabhängigkeit ist essenziell. Deshalb braucht Europa ein Gesetz, das diese Unabhängigkeit sichert."

Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber, lobte die EU-Kommission für ihren Einsatz gegen die Corona-Pandemie. Kein anderer Kontinent habe so hohe Impfquoten wie die EU. "Die Krise begann in China, in Europa haben wir die Lösung gefunden", sagte er.

Die spanische Sozialdemokratin Iratxe García Pérez zeigte sich erfreut über die Ankündigung von der Leyens, ein Gesetz gegen Gewalt an Frauen vorzulegen. "Seit Jahren verlangen wir dieses Gesetz", sagte sie. Außenpolitisch müsse die EU endlich mit einer Stimme sprechen, das zeigten die Entwicklungen in Afghanistan.

Mehr Tempo beim Klimaschutz mahnte der Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts an. "Wenn wir scheitern, gibt es keine Wirtschaft mehr, weil der Planet nicht mehr bewohnbar sein wird", sagte er. Von der Leyen hatte angekündigt, weitere 4 Milliarden Euro für die Finanzierung von Klimamaßnahmen bis 2027 vorzuschlagen.

Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan forderte die EU-Kommission auf, im Interesse einer gerechteren Impfstoffverteilung in der Welt den Patentschutz für Corona-Impfstoffe zu beenden. Es brauche zudem eine Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmen, "die auch Zähne hat", und eine Finanztransaktionssteuer. Dass von der Leyen als Lehre aus dem Afghanistan-Desaster eine europäische Militärunion fordere, sei falsch. Das Geld wäre besser in der Armutsbekämpfung aufgehoben, sagte Schirdewan.

(anw)