Klimaneutralität: Die Chip-Industrie muss grüner werden

Nach Intel hat TSMC angekündigt, die Treibhausgas-Emissionen in den nächsten Jahrzehnten auf netto null zu drücken. Der CO2-Fußabdruck der Industrie ist groß.

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(Bild: Dragon Images/Shutterstock.com)

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Die Halbleiter-Industrie steht vor einer massiven Herausforderung: Die Nachfrage nach ihren Chips steigt vehement an. Die Siliziumprodukte werden zunehmend nicht mehr nur in Smartphones und andere Elektrogeräte eingebaut, sondern auch in Windturbinen, Photovoltaik-Anlagen und Elektroautos, mit denen die Menschheit den Klimawandel in den Griff bekommen will. Andererseits hinterlässt die Branche bei der Produktion ihres derzeit knappen Guts eine riesigen CO2-Fußabdruck, verbraucht Tonnen von Wasser, produziert gefährlichen Müll und trägt so zur Klimakrise bei.

Wichtige Chip-Hersteller haben daher angekündigt, in den nächsten Jahrzehnten klimaneutral werden zu wollen. Der US-Konzern Intel will bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen auf netto null reduzieren und 100 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Der weltweit größte Halbleiterproduzent TSMC aus Taiwan gab jüngst das gleiche Ziel aus, will sich damit aber bis 2050 Zeit lassen. Der drittgrößte Chip-Auftragsfertiger, Globalfoundries plant, "CO2 um Größenordnungen zu reduzieren" und die Anlagen gegebenenfalls langfristig auf Wasserstoff umzustellen. Die EU und die USA streben die Klimaneutralität generell bis spätestens 2050 an.

"Doch die Dekarbonisierung der Branche wird eine große Herausforderung sein", schreibt der Guardian. Laut Greenpeace verbraucht TSMC allein fast 5 Prozent der gesamten taiwanesischen Elektrizität, ein Anstieg auf 7,2 Prozent im Jahr 2022 ist prognostiziert. Der Wasserverbrauch lag schon 2019 bei etwa 63 Millionen Tonnen. Dies führte dieses Jahr zu Protesten von Landwirten, als Taiwan von der schlimmsten Dürre seit einem halben Jahrhundert heimgesucht wurde.

In den USA produzierte eine einzige Intel-Fabrik in Ocotillo im Bundesstaat Arizona in den ersten drei Monaten dieses Jahres fast 15.000 Tonnen Abfall, von denen etwa 60 Prozent als gefährlich gelten. Zudem verbrauchte die "Fab" 927 Millionen Gallonen Frischwasser, womit man rund 1400 Schwimmbecken von Olympia-Format hätte füllen können, sowie 561 Millionen Kilowattstunden Strom.

Der Harvard-Forscher Udit Gupta und sein Team rechneten voriges Jahr vor, dass der größte Teil des Kohlenstoffausstoßes elektronischer Geräte auf die Chip-Herstellung und nicht auf den Energieverbrauch oder den Einsatz von Hardware zurückzuführen sei.

Unter dem Druck von Investoren und Elektronikherstellern wie Apple, die ihren Kunden umweltfreundlichere Lieferketten vorlegen wollen, verstärkt die Halbleiter-Industrie nun ihre Maßnahmen für eine bessere Klimabilanz. Noch vor Kurzem habe die Branche abgewartet und nur ein Lippenbekenntnis zu mehr Nachhaltigkeit abgelegt, erklärte Sohini Dasgupta, Entwicklungsingenieurin bei ON Semiconductors, dem Guardian. Inzwischen werde täglich thematisiert, was das Unternehmen und Konkurrenten in diesem Bereich täten. Der Boom "grüner Fonds" tut Analysten zufolge sein Übriges.

Der Energieverbrauch mache insgesamt 62 Prozent der CO2-Emissionen bei TSMC aus, berichtete eine Sprecherin des Unternehmens der Zeitung. Man habe im vergangenen Jahr einen 20-Jahres-Vertrag mit dem Energielieferanten Ørsted unterzeichnet und kaufe bald die gesamte Energie aus einem 920-Megawatt-Offshore-Windpark, den die Dänen in der Straße von Taiwan bauen. Die Vereinbarung gilt als eine der weltweit größten über den Kauf erneuerbarer Energien. TSMC will damit nicht nur eine saubere Stromversorgung garantieren, sondern sich auch gegen rapide Preisänderungen auf dem Energiegroßmarkt absichern.

Umweltschädliche Materialien, die bei der Herstellung von Halbleitern verwendet werden, wollen die Taiwaner ebenfalls stärker vermeiden. TSMC hat nach eigenen Angaben Reinigungsanlagen und andere Einrichtungen eingeführt, um dem Entweichen schädlicher Gase entgegenzuwirken. Der Chemieingenieur Michael Pittroff verwies auf Tests mit einem halben Dutzend Kunden aus der Chip-Industrie, bei denen umweltschädlichere Gase durch "saubereres" Fluor ersetzt würden. Die Pariser Firma Air Liquide habe zudem eine Reihe alternativer Ätzgase, die für das Prägen der Siliziumoberfläche eines Wafers verwendet werden, mit geringeren Auswirkungen auf die globale Erwärmung entwickelt.

(olb)